Schweizer Wein ist in Mode

Schweizer Wein ist in Mode

Ich gestehe es: Zu Beginn meiner Weinleidenschaft, vor rund 30 Jahren, war der Schweizer Wein für mich kein Thema. Den säurebetonten, leichten Landroten hielt ich zum Kochen für gerade noch knapp geeignet, und die säurearmen Chasselas waren allenfalls etwas, das man Magenkranken servieren konnte. Tatsächlich gab es aber schon seinerzeit gute Schweizer Weine, allerdings waren sie weniger zahlreich als heute. Damals, als die Langstreckenflüge plötzlich erschwinglich wurden, galt es, die Welt zu entdecken – auch die Weinwelt. Und die war umso reizvoller, je weiter weg die betreffende Region sich befand. Schweizer Wein wirkte da alles andere als sexy.

Das Qualitätsbewusstsein war tatsächlich nicht immer so ausgeprägt wie heute – während Jahren wurde ziemlich hemmungslos produziert. Einen wichtigen Wendepunkt stellte der Rebbaubeschluss von 1993 dar, der den Produzenten Mengenbeschränkungen auferlegte. So wurde die Überproduktion eingedämmt und die Qualität in den meisten Fällen deutlich angehoben. Gleichzeitig bekämpften die Weinbauern die Liberalisierung der Weinimportkontingente aufs Heftigste. Auch ich wurde einmal als «Totengräber des Schweizer Weinbaus» bezeichnet, weil ich die Beschränkung der Weinimporte unsinnig und gefährlich fand. Als schliesslich im Jahr 2001 die Kontingentierung de facto aufgehoben wurde, passierte genau das, was dem Schweizer Weinbau zu neuem Glanz verhalf: Die Winzer mussten schneller auf die Marktbedürfnisse reagieren, und die Qualität der Weine stieg.

Winzer mit Lieferproblemen

Die Schweizer Rotweine werden von hochwertigeren, reiferen Trauben erzeugt als noch vor 20 Jahren. Die Abkehr vom Beerliwein hin zu kräftigeren Weinen wurde auch durch die Einführung von Neuzüchtungen wie beispielsweise Gamaret oder Diolinoir begünstigt. Die Erwärmung des Klimas macht sogar die Ausreifung spät reifender Sorten wie beispielsweise Cabernet Sauvignon möglich. Als grosse Errungenschaft des Schweizer Rebbaus darf die enorme Verbreitung der Integrierten Produktion gelten. Sie ermöglicht einen naturnahen Rebbau, der den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln auf das Notwendigste begrenzt. Mittlerweile wird in jedem der 26 Kantone Weinbau betrieben, und es gibt zahlreiche hervorragende Produzenten. Ihr einziges Problem ist, die enorme Nachfrage zu bewältigen.

Aargau einst ein Weinkanton

Die am häufigsten kultivierte Rebsorte der Schweiz ist nicht der Chasselas, sondern der aus dem Burgund stammende Pinot noir. Er ergibt vor allem in der Bündner Herrschaft und im Wallis ausgezeichnete Weine. Das Wallis ist heute mit über 5000 Hektaren Anbaufläche (von schweizweit insgesamt 15 000) unsere grösste Weinbauregion. Interessanterweise war der Rebbau noch im 19. Jahrhundert viel stärker auf die Deutschschweiz fokussiert. So besass der Aargau mit 2660 Hektaren damals mehr Reben als das Wallis mit 2340 Hektaren! Heute wird im Aargauischen nur noch wenig Rebbau betrieben. Der hellrote, finessenreiche Pinot noir des Quereinsteigers Tom Litwan beweist, dass inzwischen mit entsprechender Sorgfalt selbst in den klimatisch anspruchsvollen Schweizer Regionen erstaunlich gute Weine erzeugt werden! Schweizer Wein ist in Mode.

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