Orange Wine

Orange Wines eröffnen dem Geniesser einen ganz anderen Zugang zum Wein», sagt Amédée Mathier von Albert Mathier & Söhne in Salgesch selbstbewusst. Der Winzer gilt hierzulande als Pionier für diesen relativ neuen Weinstil, der indessen auf einer uralten Tradition beruht: Orange Wine ist ein Wein aus weissen Trauben mit einem verlängerten Maischekontakt während der Gärung. Er wird somit wie ein Roter erzeugt. Für das unter Einfluss von Sauerstoff stattfindende Prozedere werden oft Ton-Amphoren verwendet, aber auch grosse Holzfässer und sogar gebrauchte Barriques. Die dunklere Farbe, eben Orange, ist die Folge von Maischegärung und Oxidation. In Georgien produzieren Winzer seit Jahrtausenden Weine auf natürliche Art und Weise in Amphoren, sogenannten Kvevris. Mathier besitzt 20 solche Gefässe in verschiedenen Grössen von 250 bis 2500 Litern. Wer dergestalt arbeite, brauche Erfahrung, viel Übung und müsse sehr hygienisch vorgehen, erzählt der Walliser. Wenn man sich als Konsument auf Orange Wines einlässt, so eröffnen sich neue Geschmackswelten – allerdings auch ungewohnte, wie der Amphore blanc 2013 von Mathier zeigt (siehe Tipps rechts). Und der Wein besitzt im Gegensatz zu einem konventionellen Weissen mehr Gerbstoffe. Die einheimischen Sorten Ermitage und Rèze bleiben ein Jahr in den Amphoren, lagern nachher weitere zwei Jahre im Akazienholzfass und werden dann unfiltriert abgefüllt. Orange Wines sind daher oftmals leicht trüb, was die Qualität aber nicht beeinträchtigt. Zu den Rockstars der neuen Wein-Welle zählen die «Rennersistas» aus Österreich. Die aus dem Burgenland stammenden Schwestern Stefanie und Susanne Renner mischen die Szene seit wenigen Jahren mit innovativen Gewächsen auf. Die Jungwinzerinnen vergären all ihre Weissweine spontan, also mit wilden Hefen, an der Maische. Diese bleiben aber im Durchschnitt bloss rund eine Woche im Kontakt mit dem Most. Nach dem Ausbau auf der Vollhefe kommt der Wein ohne Filtration und Schönung und im Idealfall ohne Schwefel in die Flasche. «Diese Vinifikation ergibt vielfältigere, komplexere, lebendigere Weine als direkt gepresste Beispiele», meint Stefanie Renner überzeugt. Als gelungenes Beispiel sei der Wein «Waiting for Tom» aus Weissburgunder und Chardonnay erwähnt. Die Österreicherinnen arbeiten zudem in den Rebbergen nach biologisch-dynamischen Ansätzen – was aber direkt nichts mit der Definition von Orange Wines zu tun.

Nische für Wagemutige

Die vierte Weinfarbe im sowieso schon vielfältigen und unübersichtlichen Wein-Universum ist vorläufig eine Nische für wagemutigere Geniesser. Trotzdem stösst man vermehrt auf solche Beispiele bei ausgewählten Händlern und in Restaurants. So bietet etwa die Bar Weinpunkt in Winterthur immerhin acht maischevergorene Weissweine an, etwa den Coume de l’Olla blanc 2017 der grossartigen Domaine Matassa aus dem Languedoc-Roussillon für 54 Franken. Die Gäste würden vor allem dann einen Versuch wagen, wenn die Tropfen glasweise angeboten würden, erklärt Mitinitiant Benjamin Herzog. Auch immer mehr Produzenten unternehmen Versuche mit Orange Wines, etwa das Gut Besson-Strasser aus dem Zürcher Weinland mit seinem Räuschling Nature. Fest steht: Weine, die sich selbst überlassen werden, polarisieren, da ihr Geruch für fruchtverwöhnte Nasen befremdlich wirkt. Zudem seien auf dem Markt viele komplett fehlerhafte und teilweise überteuerte Gewächse zu finden, weiss Philipp Schwander. Der Weinhändler und Master of Wine degustierte Beispiele mit Noten von Sauerkraut, mit Essigstich oder mit einer schweren Oxidation. «Die Winzer verstehen schlicht nichts oder zu wenig von der Materie», vermutet er. Ebenso pointiert ist seine Ansicht zum Schwefel, auf den die meisten OrangeWine-Produzenten verzichten: Ohne Schwefeldioxid sei ein Wein nicht haltbar. Das Element bindet den Sauerstoff und verhindert so eine vorzeitige Oxidation sowie die Entwicklung von Bakterien und wilden Hefen. Grundsätzlich wird heute deutlich weniger Schwefel eingesetzt als früher. Hinzu komme, dass «die verwendeten Dosen gesundheitlich völlig unbedenklich sind», wie Schwander anfügt.

Hier geht's zum Originalartikel: orange_wine_nzz_03-02-2019