Weinseelig

TEXT & FOTO: HEIDE-ILKA WEBER

D – Freudental/ CH – St. Gallen | Mit seiner Selection Schwander ist Philipp Schwander, der erste Schweizer Master of Wine, sehr erfolgreich im Alpenland. Nun hat der gebürtige St. Galler auch in seiner alten Heimat ein Wein- geschäft eingerichtet.

Wenn Kunden das stilvoll puristisch eingerichtete Ladengeschäft am St. Galler Burggraben betreten, wissen sie oft schon genau, was sie wollen, obwohl die Weine aus dem aktuellen Angebot auch immer direkt zum Degustieren bereitstehen. Das Vertrauen in die Auswahl von Weinpapst Philipp Schwander ist offensichtlich immens – sein Name ein Garant für exzellente Weine, und sein Konzept ein Volltreffer, wie der Kundenstamm von schweizweit 60 000 Weinliebhabern bezeugt: Alle zwei Monate wählt Philipp Schwander ein kleines Weinsortiment in vorzüglicher Qualität direkt bei den Produzenten vor Ort – vorzugsweise in Italien, Spanien und Frankreich – für seine Selection aus und lässt dies seine Kunden in Form einer von ihm selbst sehr einladend gestalteten Postille, die er regelmäßig verschickt, wissen.

Aber – und das ist das Entscheidende: Obwohl die Weine auch anspruchsvollen Gaumen Freude bereiten, sind sie bezahlbar und liegen preislich oft unter den üblichen Schweizer Weinpreisen. Das Geheimnis: Der Weinspezialist konzentriert sich auf wenige Sorten von unbekannten, aber herausragenden Winzern; er verkostet die Weine dort höchstpersönlich und lässt teilweise spezielle Weine eigens für sich keltern. Da er in der Regel große Mengen abnimmt, schlägt sich das erfreulich im Preis nieder. Viele gute „Weine für jeden Tag“ liegen in der Preisklasse um 12 bis 15 Sfr., die roten um 13 bis 16 Fr. Aber natürlich ist es nicht nur der Preis. Jeder echte Weinfreund, der sich gern auf Neuentdeckungen einlässt, schätzt die Auswahl und die Trouvaillen des erfahrenen Weinkenners, der weit mehr als ein Vierteljahrhundert im Weingeschäft tätig ist und die härteste Weinprüfung der Welt (Durchfallquote 95 Prozent) bestanden hat: Nur 300 Spezialisten weltweit dürfen den Titel Titel Master of Wine tragen.

Dabei kommt Philipp Schwander noch nicht mal aus einer Winzer-, sondern aus einer St. Galler Lehrerfamilie. Mit 16 Jahren entdeckte er bei einem Aufenthalt in Bordeaux das Thema Wein, das er fortan zu seinem Hobby und schließlich zu seinem Beruf machte. Motor für sein erfolgreiches Selection-Schwander-Konzept war der Ehrgeiz, spannende Weine auch in der unteren Preisklasse zu finden.

Nein, Schweizer Weine, hat er selten im Angebot, auch deut- sche Weine sind eher die Ausnahme, obwohl er schon den einen oder anderen Weißen vom Bodensee für gut befindet. Aber bei den Weinen sozusagen vor der Haustüre könne er seinen Kunden ja wenig nutzen, weil man die ohnehin in greifbarer Nähe verkosten kann. Anders bei seinen zweimonatlich wechselnden, stark südwesteuropäisch geprägten Selection- Sortimenten. Für diese hat er auch einen Degustationsraum in St. Gallen eingerichtet mit rund 40 000 Flaschen direkt zum Mitnehmen. Über die Location in einem alten Jugendstilhaus ist Philipp Schwander besonders glücklich, denn im vorderen Teil ist auch noch Platz für ein kleines Antipasti-Lokal. Es ist mit Renato Blättler (gut bekannt aus dem Greuterhof in Isli- kon und neuerdings zuständig für das Restaurant Concerto bei der Tonhalle St. Gallen) hochkarätig besetzt. So könnten die Kunden gleich im Laden ausprobieren, wie der Wein zum Essen wirkt.

Durch einen glücklichen Zufall, wie er sagt, hat Philippe Schwander mit dem Erwerb des 1699 erbauten Barockschlösschens in Freudental, wenige Kilometer von Allensbach entfernt, im Jahr 2011 seine enge Verbundenheit zur Bodensee- region manifestiert. Nur wenige wissen bislang, dass sich in dem rosafarbenen Anwesen, das weithin sichtbar auf einem Hügel über Freudental thront, ein zauberhaftes Hotel mit 15 Zimmern und mehreren stilvollen Tagungsräumen verbirgt. Hochzeitspaare schätzen vor allem an den Wochenenden die aufwendig restaurierte barocke Pracht, den Schlossgarten und die grandiose Rundumsicht. Unter der Woche genießen Manager und Seminarteilnehmer die Ruhe und die gepflegte Behaglichkeit im Haus – ohne übertriebenes Chichi, aber mit allem Komfort und eingerichtet mit erlesenen Einzelstücken, die der Hausherr persönlich ausgesucht hat. So auch der in Murano eigens für das Schloss geblasene spektakuläre Kronleuchter. Und Wein? Natürlich sind die Klimaschränke im urig-gemütlich ausgebauten Schlosskeller mit 4000 Flaschen gut gefüllt, sodass man dort jeden Tropfen doppelt genießen kann.

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