Ein guter Wein ist inspirierend: Interview mit Phlilpp Schwander im St.Galler Tagblatt, Oktober 2018

Philipp Schwander – ein Weinexperte und Gourmet par excellence

Sie sind der Experte – was macht denn nun einen guten Wein aus?

Philipp Schwander: Ein guter Wein ist inspirierend und offenbart bei jedem Schluck neue Finessen und Nuancen. Ein guter Wein lebt, hat Charakter und eine bestimmte Typizität.

Und wann ist ein Wein zu teuer?

Das lässt sich nicht so leicht beantworten, oft bestimmen Angebot und Nachfrage den Preis. Wenn beispielsweise alle Château Pétrus wollen, dann ist er eben teuer. Betrachtet man isoliert die Produktionskosten bei den teuersten Bordeaux, müsste der Preis niedriger sein, da auch die Produktionskosten eines Premiers Crus 12 Franken nicht übersteigen. Ähnlich verhält es sich beim Burgunder: Ein hochwertiger roter Burgunder ist tatsächlich grossartig – sofern Geld keine «Rolex» spielt... Zum Glück gibt es zu allen berühmten Weinen immer mehr attraktive Alternativen.

Das ist Ihr Geschäftsfeld.

Genau. Ich sehe mich als Anwalt des Weinfreundes, der kein grosses Budget hat. Es gibt qualitativ hochstehende Alternativen zu teuren Weinen. Die Leute schätzen dieses Angebot – mittlerweile haben wir 60 000 Kunden, allein seit der Eröffnung der Filiale konnten wir in St. Gallen 3500 Neukunden verzeichnen.

Das Schlimmste am Weingeschäft seien «Schnorris mit Halbwissen», sagten Sie einmal.

Leider. Momentan gibt es zum Beispiel einen Trend in Zürich, Sommeliers aus unserem grossen Nachbarland einzustellen. Nicht selten sind es Grünschnäbel mit einer grossen Klappe, die einen bescheidenen Weinkurs besucht haben und jetzt denken, sie seien gestandene Spezialisten.

Sie sagten ferner einmal, Sie würden nie Winzer werden . . .

Ja, das habe ich gesagt. Peinlicherweise bin ich mittlerweile Besitzer von zwei Hektar im Priorat. Aber ich mache den Wein nicht selbst, er wird nach meinen Vorgaben erzeugt und das klappt glücklicherweise grossartig. Ich habe diesen erstklassigen Rebberg nur gekauft, weil er einer der besten im Priorat ist und mein Winzer vor Ort kein Geld hatte.

Sie sind viel unterwegs, besuchen regelmässig die Weingüter. Sie mögen gutes Essen und guten Wein – geht das nicht an die Nieren, sprich an die Leber?

Gutem Essen und einem guten Glas bin ich nicht abgeneigt – wie unschwer zu erkennen ist. Man muss aber schon aufpassen und sich auch Grenzen setzen. Zwei Monate im Jahr, von Mitte Januar bis Mitte März, lebe ich abstinent, kein Alkohol – das ist wichtig.

Als erster Schweizer «Master of Wine» werden Sie in den Medien oft «Weinpapst» genannt.

Welches «Papamobil» bevorzugen Sie für Ihre Dienstreisen? Pro Jahr legen Felix Kauf und ich um die 60 000 bis 80 000 Kilometer zurück – bei langen Strecken fahren wir deshalb am liebsten mit dem komfortablen Mercedes-Maybach. Allerdings habe ich ein Faible für Oldtimer-Limousinen aus den 1950ern und 60ern. Ich teile die Sammelleidenschaft mit einem Freund. Handwerklich hochwertige Erzeugnisse faszinieren mich. (Philipp Schwander zeigt ein Handyfoto eines Facel Vega HK 500, ein von 1958 bis 1961 in Frankreich gebauter Gran Turismo, eine Trouvaille; dann zeigt er seine Armbanduhr, eine Spezialanfertigung der MIH-Watch, der offiziellen Uhr des Musée International d’Horlogerie La Chaux-de-Fonds, die er mit dem Meisteruhrmacher Paul Gerber weiter verfeinert hat.)

Victorinox hat zusammen mit Ihnen einen «WineMaster» auf den Markt gebracht – ein Survival-Sackmesser für Gourmets?

(lacht) Ja, so könnte man es nennen. Aber wir haben wirklich lange gepröbelt, besonders beim Korkenzieher. Herausgekommen ist «än schönä Hegel» mit optimaler Hebelwirkung und praktischen Tools wie einer robusten und stabilen Feststellklinge fürs Picknick. Die Nachfrage ist glücklicherweise riesig: bereits in den ersten zwei Monaten wurde die zuvor budgetierte Jahresproduktion übertroffen.

2011 sind Sie ausserdem mit dem Erwerb des barocken Anwesens Freudental bei Allensbach unter die Schlossbesitzer und Hoteliers gegangen . . .

Ja, leider! Ich staune immer noch über mein blindes Draufgängertum: Ich habe dieses wunderbare Anwesen glücklicherweise zu einem erfreulich anständigen Preis erworben. Allerdings habe ich erst im nachhinein verstanden, was für eine Verantwortung ich damit übernommen hatte. Die Rettung dieses Bijous hat letztlich ausserordentlich viel gekostet. Aber nun ist es so schön geworden, dass es mir und hoffentlich vielen Menschen grosse Freude bereitet!

Sie beherbergen auch immer wieder prominente Gäste in «Happy Valley», wie Sie Schloss Freudental nennen.

Ja, das kommt durchaus vor, ist aber insofern Zufall, als nicht die Berühmtheit, sondern die Sympathie Auswahlkriterium ist. Ansonsten sind wir ein ganz normales Hotel Garni mit dem Ziel, zu den wirklich guten Landhotels zu gehören. Die Wochenenden sind erfreulicherweise sehr gut ausgebucht. Unter der Woche müssen wir jedoch noch kräftig zulegen.

Zu guter Letzt: Wein, lieber allein oder in Gesellschaft?

Immer in Gesellschaft. Freude muss man doch teilen können!

Interview: Andreas Ditaranto, Bruno Scheible, Bilder: Beat Belser

 

Schwanders Empfehlungen

Frankreich: Clos de la Roche 1990, Vieilles Vignes Domaine Ponsot

Italien: Ein Barolo eines führenden Produzenten

Spanien: Murua Veguin 2001 Doppelmagnum; Priorat Schwander 2016

Österreich: In Signo Leonis 2012;

Grassl Chardonnay Rothenberg 2015.

Schweiz: Cayas 2013 Jean-René Germanier