Auf ein Glas Wein mit... Stephan Graf von Neipperg

Philipp Schwander im Interview mit Stephan Graf von Neipperg

Stephan Graf von Neipperg, 63, entstammt dem Hochadel der Reichsgrafen von Neipperg. Er wuchs in Schwaigern bei Heilbronn in Baden-Württemberg auf. Nach dem Studium der Politikwissenschaft- und Betriebswirtschaft folgte ein Önologie-Studium in Montpellier. 1984 übernahm er die Leitung der von seinem Vater Josef Hubert erworbenen Bordelaiser Weingüter, u.a. Canon-la-Gaffelière und La Mondotte, die dank konstant hoher Qualität 2012 zu Premier Grand Cru Classés hochgestuft wurden. Neipperg ist an weiteren Weingütern beteiligt, die er auch weintechnisch berät, so zum Beispiel beim Sauternes Premier Cru Guiraud und beim bulgarischen Weingut Bessa Valley. Stephan ist verheiratet und Vater von 4 Kindern.

Lieber Stephan, vergangenen Monat ist Dein Vater im biblischen Alter von 102 Jahren verstorben. Wie hat er Dich geprägt? 

Mein Vater war eine Persönlichkeit mit hohen moralischen Grundsätzen, wie man sie heute nur noch selten antrifft. Das war sicher etwas vom Wertvollsten, was er uns mitgab. Er lernte uns auch ein unabhängiges Denken und forderte uns geradezu heraus, die Dinge zu hinterfragen. Er war sich zudem seiner Verantwortung für die Region um Schwaigern bei Heillbronn bewusst, in der die Familie seit dem Jahr 1120 beheimatet ist. Neben seinem ausgeprägten Sinn für die Familie war er aber auch eine dominierende Figur, die sich selbst durch den Afrikakrieg in El Alamein und die anschliessende Kriegsgefangenschaft nicht kleinkriegen liess. Nach dem Krieg verlor er wegen der Bodenreform rund die Hälfte seines Besitzes und musste das Unternehmen wieder neu aufbauen, was eine sehr starke Persönlichkeit erforderte. Dies machte es meinem ältesten Bruder, als er den Betrieb in Schwaigern übernahm, zu Beginn sicher nicht immer einfach. 

Wie kam es, dass Dein Vater ausgerechnet in Bordeaux im Jahr 1971 Weingüter kaufte?

Ich glaube, er verspürte den Osten als Bedrohung und der Westen mit der französischen Kultur lag ihm viel näher. Vermutlich ging es ihm bei diesem Kauf um eine Art Absicherung der Zukunft. Bordeaux war ihm zudem bekannt als berühmte Weinregion und unsere Familie produziert ist ja bekanntlich seit über 800 Jahren Wein. St-Émilion mit seinen Familienbetrieben war ihm dabei bestimmt sympathisch. 

Weshalb wurdest Du ausgewählt, nach Bordeaux zu ziehen?

Ich bin das fünfte von insgesamt acht Kindern. Ich wurde ausgewählt, weil ich schlicht und ergreifend derjenige war, der Französisch sprach. Ich studierte in Paris Politikwissenschaft- und Betriebswirtschaft sowie im Anschluss Önologie in Montpellier. 

Wie waren die Anfänge in Bordeaux 1984? Wurdest Du als Deutscher überhaupt akzeptiert?

Die Franzosen haben grossen Respekt vor ihren Schulen. Da ich ein Absolvent ihres Systems war und ihre Sprache gut beherrschte, war das ein gewichtiger Vorteil. Meine liebe Frau Siegweis ist zudem eine sehr charmante, einnehmende Persönlichkeit. So gewannen wir schnell die Akzeptanz der Bordelaiser und konnten viele Kontakte zu den bekannten Produzenten knüpfen. 

Wie hast du es geschafft, die Qualität Deiner Weine derart stark zu verbessern?

Der grosse Wurf im Weinbau ist selten; meistens erfordert es umfassende Detailarbeit und ein stetes Bemühen, die Qualität anzuheben. Die Verbesserungen erfolgten im Laufe der Jahre Schritt für Schritt, letztlich auch immer mehr zurück zur Natur, weg von Pestiziden und hin zu einem lebendigen Rebberg. Die Weine aus den 1970er Jahren von Canon-la-Gaffelière waren nicht gut, weil sie ohne Respekt gegenüber der Natur produziert wurden und die Böden gewissermassen zu Tode gedüngt wurden. Das gleiche widerfuhr mir auch auf Bessa Valley. Zu Beginn wurde dort ein industrieller, wenig rücksichtsvoller Weinbau praktiziert. Nun arbeiten wir auch auf Bessa Valley wieder auf natürliche Weise, was die Mitarbeiter mit Stolz erfüllt. Die Weine sind dynamischer, strahlender – einfach besser! 

Trinkst Du oft teure Bordeaux?

Ich habe meinen Keller glücklicherweise mit exzellenten Bordeaux gefüllt, aber auch anderen vorzüglichen Weinen aus aller Welt mit deren Produzenten ich oft befreundet bin. In unserer Familie gilt, dass wir diese besonderen Weine regelmässig geniessen, aber nie über den Preis sprechen. Es ist auch sehr wichtig, die besten Weine zu verkosten, nur so kann man sich verbessern.

Wodurch zeichnet sich Dein bulgarischer Wein aus?

Thrakien besitzt meines Erachtens ein ganz grosses Potential. Die Geschichte kann sich nicht irren, bereits vor tausenden von Jahren wurde dort Weinbau betrieben und die Ergebnisse geben uns recht: Ich habe tatsächlich noch nie jemanden angetroffen, der den Bessa Valley nicht mochte. Der Wein besitzt einen ganz speziellen Charme und Wohlgeschmack, dem man sich kaum entziehen kann. Dies beweisen auch Deine Verkaufszahlen. Ich schätze mich äusserst glücklich, dass wir Deine anspruchsvolle Kundschaft mit unserer besonders hochwertigen Spezialfüllung derart begeistern können. 

Deine Familie besitzt, nicht zuletzt dank Dir, mittlerweile ein kleines Weinimperium. Hast Du bereits einen Nachfolger?

Mein 26jähriger Sohn Ludovic, der an der HSG in St. Gallen Betriebswirtschaft studierte und einen Master in Rebberg- und Kellermanagement besitzt, arbeitet nun in verschiedenen Weinbetrieben und bildet sich weiter fort. Meine Kinder fanden einhellig, dass er inskünftig unsere Châteaux leiten soll. Dies freut mich natürlich sehr.