Auf ein Glas Wein mit... Peter Nobel

Prof. Dr. Peter Nobel, 75, wuchs in Flawil auf, absolvierte das Gymnasium und die Universität in St. Gallen, wo er Wirtschafts- recht und Staatswissenschaften studierte. Im Anschluss wurde er Assistent für Handelsrecht an der Universität Zürich bei Prof. Meier-Hayoz. Es folgten die Lehr- und Wanderjahre (u.a. Moskau, Göttingen und New York). 1982 eröffnete er seine eigene Kanzlei (Nobel & Hug) und gilt heute als einer der profiliertesten, gesuchtesten Wirtschaftsanwälte der Schweiz. Er war ausserdem Professor an der Universität St.Gallen und dann Ordinarius an der Universität Zürich. Nobel war der Anwalt Dürrenmatts, als dessen Willensvollstrecker er auch amtet.

Lieber Peter, wie hast du Dürrenmatt kennengelernt?

Ich kannte Friedrich Dürrenmatt vom Diogenes Verlag her, wo er viele Jahre beheimatet war. Näher sind wir uns gekommen, als sein Buch ‹Justiz› im Stern vorabgedruckt wurde und die Helvetismen zu seinem grossen Verdruss umgeschrieben wurden, da es in Hamburg an Verständnis dafür mangelte. Ich konnte glücklicherweise vermitteln, da ich die Leute von Gruner & Jahr gut kannte, und die weiteren Abdrucke wurden dann im Original gebracht. Dürrenmatt meinte darauf, ich könne nun sein Anwalt sein, was mich sehr freute. Schon in der Kantonsschule hatte ich eine (die einzige) Schwäche für seine Werke.

Wie würdest du den Charakter von Dürrenmatt beschreiben?

Bei einer ersten Begegnung verschlossen, eher abweisend, bei näherer Bekanntschaft zuvorkommend, hilfsbereit und fast tapsig lieb, aber immer scharf beobachtend. Mit Vorliebe erzählte er groteske Geschichten, über die er selber am meisten lachen konnte, während andere diese eher schauerlich fanden.

Dürrenmatt galt als Kritiker des Establishments. Wie hat Dürrenmatt sich selbst als erfolgreicher und dementsprechend etablierter Autor eingeordnet?

 Er nahm das sehr gelassen und amüsierte sich. Die berühmte Rede ‹Die Schweiz – ein Gefängnis› zur Ehrung Václav Havels im Gottlieb Duttweiler Institut geriet zu einem ausgewachsenen Dürrenmatt-Stück. Er sagte mir, als er gemerkt habe, dass da drei Bundesräte seien, wolle er die Gelegenheit nutzen. Bundesrat Koller kam zu spät und Václav Havel musste auf den Duttweiler- Preis warten. Dann begann der Reigen, eröffnet durch Kurt Furgler (in der Verbindung Müüli genannt), der uns weis zu machen versuchte, dass ‹Havel› Gallus bedeute und so das Ganze auch mit St.Gallen verbunden sei. Dürrenmatts Vortrag donnerte dann alles weg, ausser der Konsternation des prominenten Publikums, das schnell weg-, aber wohl auch etwas in sich ging.

Dürrenmatts Verhältnis zur Kritik galt als angespannt. Führtest du einen kritischen Diskurs mit ihm über seine Werke?

Er war froh, dass ich nicht auch noch mit ihm über seine Werke sprechen wollte. Er freute sich aber, dass ich die Zeichnung ‹Der Kritiker› erworben hatte, obwohl er meinte, dass der Verleger Daniel Keel sie mir gar nicht hätte verkaufen dürfen.

Erkennst du dich selbst in einer der Figuren von Dürrenmatt?

Im Schrifttum komme ich gar nicht vor; das war hauptsächlich noch vor meiner Zeit. Er hat mich aber porträtiert. Auch auf seinem Druck ‹Die Hochzeit zu Kanaan›, bei der gewaltig gebechert und der Wein ja auch immer besser wird, sitze ich unten am Tisch.

Wie beurteilst du die zukünftige Rezeption von Dürrenmatt? Wird man in dreissig Jahren in den Schulen immer noch Dürrenmatt lesen?

Ich denke, dass Dürrenmatt bleiben wird, vor allem mit der ‹Alten Dame›, einem Paradestück zur Gerechtigkeitsfrage. Dann bleiben ‹Die Physiker› und die Kriminalromane. ‹Frank der Fünfte›, die Oper einer Privatbank, könnte man heute über Bitcoins schreiben.

Hat Dürrenmatt viel von Wein verstanden oder einfach nur viel getrunken?

Zu meinen Zeiten wusste er, was gut war, hat aber aufgrund seiner Diabetes nur noch mässig getrunken. Seine Vorlieben (Margaux, Ausone, Cheval Blanc) hat er jedoch in der ‹Panne› aufscheinen lassen.

Was war dein erstes Weinerlebnis?

Mein Vater kaufte ein Fass Bordeaux und ich, als Mittelschüler, musste es abfüllen. Damals trank ich nichts, doch der Geruch setzte sich in der Nase fest. Anders bei meinem Freund Daniel Thürer: Sein Vater war zwar abstinent, aber vom Grossvater ruhten in Teufen in schmiedeeisernen Gestellen noch Trouvaillen der Jahrgänge 1945 und 1947, die wir an freien Mittwochnachmittagen im Garten mehr tranken denn degustierten. Das Glück war auch gross, als mir mein Freund Fritz Ammann aus Australien eine Fuhre Penfolds Grange schickte, als dieser noch unter zwanzig Franken kostete.

Welche Weine schätzt du besonders?

Ich bin da ziemlich breit orientiert, vom Tessin (zum Beispiel eure Füllung der Tenuta Bally) über die Bündner Herrschaft bis ins Wallis, dann natürlich Burgund und Bordeaux. Es kann aber heute auch australisch, südamerikanisch oder kalifornisch sein. Besonders angetan haben es mir neben Margaux die Côtes-du-Rhône, von Guigal bis Château Rayas – übrigens auch der Lieblingswein von Martin Meyer, NZZ, dessen Grossvater im Stumpentunnel am Stadelhofen eine Weinhandlung betrieb.

Du bist auch Autofan. Was für Autos fährst du?

Ich fahre heute vor allem Smart und E-Bike. Als Reserve, sollten sich die Zeiten ändern, steht noch ein Porsche GTS in der Garage. Meine Gelüste konnte ich aber vor allem an der Mille Miglia befriedigen, die ich fünfmal mit einem Aston Martin 1938 fuhr.

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