Auf ein Glas Wein mit... Omer Dzemali

Prof. Dr. med. Dr. h.c. Omer Dzemali, 51, arbeitet seit 2009 im Zürcher Triemli-Spital und ist dort seit 2018 Chef der Herzchirurgie. Der gebürtige Albaner aus Nordmazedonien und Sohn eines Lehrer-Ehepaares aus Tearcë, studierte zu Beginn seiner Karriere in Sarajevo, das er aber nach Ausbruch des Balkankrieges fluchtartig verlassen musste. Ohne Deutschkenntnisse und finanzielle Mittel gelangte er 1992 nach Düsseldorf. Nach Abschluss seines Studiums in Mainz und seiner Habilitierung in Frankfurt wurde er als leitender Arzt ans Triemli-Spital in Zürich berufen, dessen Herzchirurgie er jetzt leitet. Dzemali ist verheiratet und Vater von zwei Kindern. Sein Hobby, nebst einem guten Glas Wein, ist das Wandern – vor allem in den Schweizer Bergen.

Lieber Omer, anscheinend hast du dich schon sehr früh entschieden, Arzt zu werden. Wieso?

Ich wuchs in einem kleinen Dorf auf, in dem es nur drei Personen mit einem Auto gab. Meine Grossmutter hatte ein schwaches Herz und jedesmal, wenn es ihr schlecht ging, war mein Vater verzweifelt auf der Suche nach einem der drei Autobesitzer, um meine Oma ins Spital zu bringen. Als ich neun Jahre alt war, starb sie mit gerade mal 63. Damals entstand der innige Wunsch zu helfen, um zu verhindern, dass Familienmitglieder ihre Liebsten zu früh verlieren.

Diesen Berufswunsch hast du also auch später verfolgt?

Genau! Glücklicherweise wurde ich hierbei von meinen Eltern unterstützt, und so fing ich 1990 mein Medizinstudium in Sarajevo an, das ich allerdings nach Ausbruch des Krieges abbrechen musste. Ich traf 1992 ohne Deutschkenntnisse und ohne Geld in Düsseldorf ein. Innerhalb weniger Monate lernte ich Deutsch und fand dank einem Cousin meines Vaters einen Studienplatz in Mainz. Die Zeit war sehr arbeitsintensiv, da ich mir nebenbei mein Studium verdiente. In Mainz riet mir mein Doktorvater, Professor Moritz Anton Konerding, Herzchirurg zu werden. Es war ihm offensichtlich aufgefallen, dass ich handwerklich sehr geschickt bin.

Deine Fähigkeiten als Herzchirurg sind geradezu legendär. Diese Aufgabe erfordert also neben theoretischen Kenntnissen auch manuelle Geschicklichkeit?

Unbedingt! Man muss sich vorstellen, dass ich beispielsweise am schlagenden Herzen zwei bis drei Millimeter grosse Gefässe von Hand mit einem Faden zusammennähen muss. Kürzlich traf ein 18-Jähriger bei uns im Spital ein, der von einem Messerstich direkt ins Herz getroffen wurde. Wenn man da nicht äusserst schnell und geschickt operiert, stirbt der Patient sofort. Unerlässlich ist zudem eine gute Kondition: Eine Herzoperation kann ohne weiteres sechs bis acht Stunden dauern.

Kannst du deine Herzoperationen zurzeit wie gewohnt durchführen?

Nein, leider nicht. Momentan ist nur die Hälfte der Herzoperationen möglich, da unsere Intensivstation durch Covid-Patienten stark in Beschlag genommen wird. Das sind auf unserer Station derzeit notabene alles Ungeimpfte. Im Gegensatz zu normalen Patienten belegen Covid-Patienten die Intensivstation unglaublich viel länger, nämlich bis zu zwei Monate gegenüber rund zwei Tagen bei normalen Herzpatienten. Ich habe deshalb absolut kein Verständnis für Impfverweigerer, da sie sich diesen lebensgefährlichen Aufenthalt durch eine Impfung hätten ersparen können. Die Auslegung des Begriffs ‹Freiheit› ist gerade im Zusammenhang mit Covid teilweise völlig irrational. Freiheit hat ja noch nie bedeutet, dass man einfach machen kann, was man will!

Was ist neben den fachlichen Eignungen wichtig, wenn man Arzt werden möchte?

Ich lernte während meiner Karriere Ärzte kennen, die sich nicht wirklich für das Wohl ihrer Patienten interessierten. Man sollte Menschen sehr gerne haben und sich vor Augen führen, dass ärztliche Fehler fatale Folgen haben, auch für die betroffenen Familienangehörigen. Absolut unabdingbar ist deshalb für mich, dass wir wirklich alles unternehmen, um ein für den Patienten optimales Ergebnis zu erzielen. Der Kontakt ist gleichfalls zentral; es ist wichtig, Wünsche und Ängste zu verstehen und nach der Operation eine gute Betreuung zu gewährleisten. Es gibt beispielsweise keinen Tag, an dem ich nicht spätestens gegen Abend meine Patienten persönlich aufsuche.

Du hattest immer wieder Leute, die dich unterstützt haben?

Mehrfach geriet ich in Situationen – wie beispielsweise bei der Ankunft in Deutschland – die hoffnungslos schienen. Ich hatte das Glück, wiederholt auf Leute zu treffen, die mich unterstützt und gefördert haben. Das vergisst man nicht. Einer meiner Förderer, den ich sehr schätzte, ist leider gerade kürzlich verstorben: Professor Andreas Zollinger. Ihm war die Sache wichtig – Eitelkeiten und Rivalitäten im Team waren ihm ein absoluter Greuel.

Du hast grosse Freude an einem Glas Wein. Welche Sorten und Regionen bevorzugst du?

Ich schätze Cabernet-Weine sehr, zum Beispiel Podere Forte. Die Toskaner waren übrigens auch meine ersten Weine, die ich entdeckte. Wie du kürzlich auf Freudental festgestellt hast, liebe ich aber auch Dessertweine. Dank dir habe ich jetzt ausserdem den Zugang zu den französischen Gewächsen gefunden. Kurzum: Wein ist für mich ein grandioses Getränk, das man gemeinsam mit Freunden geniessen kann und unser Herz öffnet.

Hast du uns noch einen Ratschlag, wie wir die Gesundheit unseres Herzens zusätzlich fördern können?

Ganz einfach: Viel Bewegung! Ideal ist Wandern und da sind wir ja in der Schweiz in einem wahren Paradies.

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