Auf ein Glas Wein mit... Heidi Maria Glössner

 

Heidi Maria Glössner, 78, wurde in Messkirch (Baden-Württemberg) geboren und wuchs in Uzwil bei der besten Freundin ihrer Mutter auf, wohin diese sie als Baby vor den Fliegerbomben in Schutz gebracht hatte. Während ihrer 54jährigen Theaterkarriere in der Schweiz, Deutschland und Österreich spielte die nach wie vor überaus aktive Grande Dame des Schweizer Theaters unzählige grosse Rollen und sang in Musicals. Daneben war sie auch in Kino- und Fernsehfilmen engagiert, u.a. in ‹Youth› von Paolo Sorrentino oder den ‹Herbstzeitlosen› von Bettina Oberli. 2016 erhielt sie den Prix Walo als beste Schweizer Schauspielerin. Heidi Maria Glössner ist Mutter eines 51jährigen Sohnes und lebt seit 1987 in Bern.

Liebe Heidi, wie bist du eigentlich dazu gekommen, Schauspielerin zu werden?

Diesen Wunsch hegte ich erstaunlicherweise bereits sehr früh: Mit viereinhalb Jahren trat ich im Kindergarten als Erzählerin des Stücks der ‹Rattenfänger von Hameln› auf, und von da an wollte ich unbedingt Schauspielerin werden.

Bevor du die Schauspielschule in Zürich absolviert hast, musstest du zuerst die Schulbank drücken.

Genau. Wie du ja weisst, besuchte ich zusammen mit deiner Mutter, mit der ich seit 1958 befreundet bin, die Kantonsschule in St.Gallen. Dein Vater war nicht nur unser absoluter Lieblings- lehrer, er weckte in uns auch die Begeisterung für die deutsche Sprache und Literatur. Danach lebte ich für ein gutes Jahr bei meinem Bruder in Kalifornien, wo ich bereits mit Film und  Theater in Berührung kam.

Du bist erfolgreich in Filmen auf-getreten, dennoch schlägt dein Herz für das Theater.

Ich liebe die Unmittelbarkeit des Auftritts vor Publikum. An  einem Abend eine Geschichte von Anfang bis Ende durchzuspie-len und die Reaktionen der Zuschauer darauf direkt zu erleben, ist faszinierend. Der Film, bei dem die Geschichte zerstückelt gedreht wird, ist da anders, dafür intimer. Ich bekam schon früh grosse Filmangebote, die ich aber leider nicht wahrnehmen konnte. Zu jener Zeit war ich in Scheidung und die regelmässigen Einkünfte aus meinem festen Engagement am Stadttheater  Luzern waren für mich als alleinerziehende Mutter sehr wichtig. Für eine Filmrolle hätte ich aber meine Stelle aufgeben müssen, und das war mir zu riskant. 

Hast du einen Lieblingsfilm? 

ch habe natürlich sehr viele Lieblingsfilme. Einer meiner  Favoriten ist aber nach wie vor Lawrence of Arabia. Ebenfalls  sehr schätze ich beispielsweise The Bridges of Madison County mit Meryl Streep und Clint Eastwood.

Hat sich die Schauspielerei seit deiner Jugendzeit verändert?

In meiner Jugend war alles sehr hierarchisch gegliedert. Wir  hatten immer Angst, etwas Falsches zu tun und getrauten uns wenig. Die jungen Leute heute sind viel selbstbewusster und  haben auch den Mut zu widersprechen. 

Wie hast du die Pandemie über-standen? Für Künstler war dies ja eine besonders schwierige Zeit.

Das Fernsehen wollte mich zu einer Talkrunde einladen, die  neben Corona auch die Vereinsamung von älteren Menschen zum Thema hatte. Ich sah mich veranlasst abzusagen: Meine Lebens-umstände sind vermutlich anders, ich genoss die Zeit in vollen Zügen ohne Einsamkeitsgefühle. Zum ersten Mal in meinem Leben musste ich kein schlechtes Gewissen haben, einfach nichts zu tun! 

Du bist eine erstaunlich vitale, lebensfrohe Frau, die gerne Wein geniesst.

In der Tat! Vielleicht vererbte mir mein Stiefgrossvater Tullio Dal Maso die Liebe zum Wein. Er stammte aus einer alten Wein-bauerndynastie im Veneto und importierte die Erzeugnisse seiner Brüder nach Uzwil. Er erzählte mir, dass seinerzeit der lokale Arzt seinen Patienten jeweils Tullios Wein mit den Worten ver-schrieb, dies sei die beste Medizin. Mein Grossvater hegte und pflegte ausserdem einen riesigen Garten mit Gemüse und Obst, erzeugte auch Apfelsaft und Himbeersirup, die ich trinken durfte. Er selbst genoss zum Essen immer Wein. In seltenen Fällen, wenn es keinen Apfel- oder Himbeersaft mehr gab, bekam auch ich ein wenig Wein, den ich dann mit Wasser verdünnte und  etwas Zucker süsste. So ist dieses Getränk für mich seit meiner frühesten Kindheit mit positiven Erlebnissen verknüpft.

Du bist eine massvolle, aber regel-mässige Weinkonsumentin.

Ein Essen ohne Wein schmeckt mir nicht, es ist nur eine halbe Sache. Überdies interessiere ich mich auch für das Produkt als solches und erinnere mich mit Freuden daran, wie du mich seiner- zeit vor meiner Kalifornienreise über die dortigen Erzeugnisse informiertest. Ich überraschte die Leute vor Ort dann mit meinen teilweise detaillierten Kenntnissen. Meine Liebe zum Wein hat sich glücklicherweise auch auf meinen Sohn Volker übertragen. 

Was für Weine trinkst du gerne?

Die italienischen und spanischen Weine schätze ich sehr. Ich  gestehe zudem, dass ich seit der Gründung deines Geschäfts eine treue Selection-Schwander-Kundin bin und auch viele meiner Bekannten bei dir einkaufen. Man wird dadurch richtig verwöhnt und wählerisch. Zusätzlich geniesse ich die Weine von einem mei-ner Freunde, der mich regelmässig mit exquisiten Raritäten be-schenkt. Ich habe dir übrigens eine Flasche des ersten Jahrgangs von Sandrones Barolo ‹Vite Talin› aus einem ganz speziellen Nebbiolo-Klon mitgebracht. Ich bin gespannt auf dein Urteil!

Was ist deine Meinung zum Schweizer Wein?

Dies ist eine neue, aufregende Entwicklung, die mich fasziniert. Früher mochte ich Schweizer Weine nicht besonders, aber seit einigen Jahren findet man immer mehr Winzer, die ausgezeich-nete Tropfen erzeugen. 

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