Techniken zur Stabilisierung des Weins - NZZ vom 18. Dezember 1996

Techniken zur Stabilisierung des Weins

Zumeist unproblematische Zusatz- und Behandlungsstoffe

Zur Herstellung eines stabilen und fehlerfreien Weines werden unterschiedliche Zusatz- und Behandlungsstoffe eingesetzt. Unter den im fertigen Produkt verbleibenden Zusatzstoffen ist der in geringen Mengen verwendete Schwefel der wichtigste. Bei den weitgehend wieder ausgeschiedenen Behandlungsstoffen stehen organische und mineralische Schönungsmittel zur Klärung des Mostes im Vordergrund. Entgegen einer verbreiteten Ansicht ist Wein in der Regel mit sehr geringen Rückständen belastet.

psw. Für die Herstellung eines fehlerfreien, stabilen Weines sind häufig verschiedene Zusatz- und Behandlungsstoffe notwendig. Unter Zusatzstoffen versteht man Substanzen, die im Wein verbleiben (z. B. Schwefel), unter Behandlungsstoffen solche, die nach der Weinbereitung weitestgehend wieder ausgeschieden werden (z. B. Mittel zur Klärung des Weines). Glücklicherweise können im Wein auf Grund des Alkoholgehalts und der vergleichsweise hohen Säure nur einige wenige verderbende Mikroorganismen (z. B. Essigbakterien) gedeihen. Deren Wachstum kann jedoch durch relativ einfache Massnahmen unterbunden werden.

Geringe Schwefelwerte

Der wichtigste Zusatzstoff in der Weinbereitung ist zweifellos der Schwefel, der seit der Antike in Form von Schwefeldioxid (SO2) zum Desinfizieren von Behältern und gegen ein Braunwerden (Oxidation) des Weines eingesetzt wird. Das SO2 bindet den Sauerstoff und verhindert so ein Oxidieren sowie die Entwicklung von Bakterien und wilden Hefen. Ungeschwefelte Weine altern schnell und weisen dadurch bald einmal Fehlgerüche auf. Völlig schwefelfreie Weine existieren nicht, da einerseits viele Substanzen des Traubenmostes bereits Schwefelkomponenten enthalten und anderseits die Hefen bei der Gärung selbst Schwefel produzieren können (teilweise bis zu 20 mg/l). In der Schweiz und der EU ist der Höchstgehalt an Gesamtschwefel bei trockenen Rotweinen auf 160 mg/l festgelegt, ein vergleichsweise tiefer Wert; trotzdem enthalten heute die meisten Rotweine lediglich etwa die Hälfte dieser Schwefelmenge.

Ein Ersatz des Schwefels ist nach wie vor nicht in Sicht, da die positiven Wirkungen die negativen überwiegen. So sind Personen, die auf Schwefel empfindlich reagieren, relativ selten. Sie sollten insbesondere den Konsum von süssen Dessertweinen meiden, da diese auf Grund des Restzucker- und Botrytisanteils höhere Mengen Schwefel enthalten dürfen (bis zu 400 mg/l). Ein anderer Nachteil des Schwefels ist, dass er schon in geringer Überdosis geruchlich unangenehm feststellbar ist. Die nach faulen Eiern riechende Schwefelwasserstoffverbindung (H2S) beispiels- weise kann sich unter reduktiven Bedingungen bei zu hohen Schwefeldosen bilden, etwa als Folge der Bekämpfung des Echten Mehltaues mit Schwefel im Rebberg oder eines Mangels an Stickstoff im Traubenmost. Um den Stickstoffgehalt im Most zu erhöhen, wird deshalb in heisseren Regionen häufig Diammoniumphosphat dazugegeben. Erwähnt sei zum Vergleich, dass Schwefel in vielen Bereichen der Nahrungsmittelindustrie eingesetzt wird. So dürfen z. B. gedörrten Aprikosen 2000 mg Schwefel pro kg zugesetzt werden. Auch Ascorbinsäure (Vitamin C) wird als Antioxidans eingesetzt (bis 150 mg/l) und ist degustativ nicht feststellbar. Die in der Lebensmitteltechnik zur Verhinderung von Schimmel vielfach benötigte Sorbinsäure unterdrückt das Wachstum von Hefen im Wein; man verwendet sie meistens bei nicht steril filtrierten Weinen mit Restsüsse, um eine Nachgärung in der Flasche zu verhindern. Sie kann allerdings durch Milchsäurebakterien angegriffen werden; das Resultat ist ein geschmacklich feststellbarer Geranienton. Sorbinsäure wird ausserdem gerne in Kellereien mit geringerem hygienischem Standard benützt.

Zucker und Säure

Zucker ist besonders in kühleren Weingebieten zur Erhöhung des Alkoholgehalts unerlässlich. Meistens wird der zugefügte Zucker vollständig in Alkohol umgewandelt. Zu stark mit Zucker angereicherte Moste können nach der Vergärung allerdings brandig wirken. In gewissen Weingebieten der EU (wie beispielsweise im Burgund) darf entweder Zucker oder Säure, nicht jedoch beides gleichzeitig hinzugefügt werden. Als Zuckerersatz wird in der EU seit einiger Zeit aus Überschüssen gewonnenes rektifiziertes Traubenmostkonzentrat (RTK) propagiert. In Italien darf nur Traubenmostkonzentrat (kein Zucker) verwendet werden. Der Gebrauch ist jedoch umstritten, weil die viskose Flüssigkeit schwierig zu dosieren ist und die RTK-Qualität teilweise schlecht ist. In wärmeren Weinregionen, wie beispielsweise Kalifornien oder Australien, ist die Zugabe von Zucker verboten.

In heissen Jahren oder in Weinregionen mit überdurchschnittlich viel Sonnenschein kann die Zugabe von Säure notwendig werden, um den Wein zu stabilisieren. Säuren wirken stark antibakteriell und senken den pH-Wert des Weines, der dadurch weniger anfällig auf mikrobielle Fehlentwicklungen wird. In Weinregionen wie Kalifornien oder Australien ist die Zugabe von natürlicher Weinsäure oder Zitronensäure häufig unumgänglich. Die billigere Zitronensäure kann allerdings im Wein durch Hefen und Milchsäurebakterien angegriffen werden. Beim biologischen Säureabbau (BSA) wird die aggressivere Apfelsäure im Wein zur weicher schmeckenden Milchsäure umgewandelt. Der BSA wird bei fast allen Rotweinen, in der Schweiz auch bei den meisten Weissweinen, durchgeführt. Im Normalfall sind im Wein genügend natürliche Milchsäurebakterien vorhanden, um den Prozess in Gang zu bringen. Seit einiger Zeit werden jedoch insbesondere im Ausland gezielt Milchsäurebakterien dazugegeben, um den BSA besser zu kontrollieren.

Umsichtige Klärung der Moste

Verschiedene Behandlungsstoffe werden zur Stabilisierung und Klärung (Schönung) des Mostes oder Weines eingesetzt. Ziel ist es, mit ihnen die im Wein vorkommenden Schwebeteilchen und überschüssigen Gerbstoffe zu entfernen, um Trübungen und mögliche Fehlentwicklungen zu verhindern. Grob können organische Schönungsmittel (Eiweiss, Gelatine, Hausenblase usw.) und mineralische Schönungsmittel (Bentonit, Aktivkohle usw.) unterschieden werden. Bentonit (eine Art Tonerde) und organische Schönungsmittel wie Eiweiss sind nach erfolgter Klärung nur noch in kleinsten Mengen nachweis- bar. Praktisch alles setzt sich mit den zu entfernenden Trubteilchen auf dem Boden des Behälters (Fass oder Tank) ab. Je nach Schönungsmittel werden dem Wein allerdings auch wertvolle Geschmacksstoffe entzogen. Aus diesem Grund werden sie für qualitativ hochstehende Weine nur vorsichtig oder überhaupt nicht verwendet. Weine mit geruchlichen und geschmacklichen Fehlern (Böckser) können mit Kupfersulfat geschönt werden; der Gehalt im behandelten Wein darf aber 1 mg/l nicht überschreiten. Überschüssiges Kupfer und Eisen (z.B. von Kellergeräten herrührend) muss aus dem Wein entfernt werden, um Trübungen zu verhindern. Dies geschieht meistens mit Kaliumhexacyanoferrat (Blauschönung). Mit dem zunehmenden Einsatz von Kunststoffen und Edelstahl im Keller wird diese problematische Behandlung glücklicherweise immer seltener.

Viele Weine werden heute mit Reinzuchthefen vergoren. Die nach unterschiedlichen Eigenschaften selektionierten Hefen machen den vormals heiklen Gärverlauf berechenbarer und schneller. Ist die Gärung beendet, reduziert sich die Löslichkeit der Weinsäure auf Grund des Alkohols im Wein, und ein Teil wird in kristalliner Form als sogenannter «Weinstein» ausgefällt. Da ein Weinsteindepot in der Flasche heutzutage von den Kunden beanstandet wird, sorgt man durch Herunterkühlen im Tank während ein bis drei Wochen dafür, dass Weinstein nicht in der Flasche auftritt. Beim neuerdings praktizierten Kontaktprozess werden für die Weinsteinausfällung Weinsäurekristalle hinzugefügt; die Kühldauer reduziert sich dadurch beträchtlich.

Kaum Rückstände

Entgegen der teilweise verbreiteten Meinung ist Wein im Vergleich zu anderen Nahrungsmitteln in der Regel mit sehr geringen Rückständen belastet. Grund dafür sind insbesondere die verschiedenen Verarbeitungsstufen, in denen die meisten Fremdstoffe, selbst Schwermetalle, ausgefällt werden. So metabolisiert die Hefe während der alkoholischen Gärung einen Grossteil der noch im Wein verbliebenen Spritzmittel zu harmlosen Stoffen. Viele der heute üblichen synthetischen Pflanzenschutzmittel sind im Gegensatz zu Kupfer biologisch abbaubar und hinterlassen - wenn überhaupt - nur noch geringste Rückstände. Problematisch können gewisse Fungizide sein, die im Wein jedoch mit deutlich geringeren Rückständen als in Früchten und Gemüsen anzutreffen sind. Angesichts des gestiegenen Umweltbewusstseins und der hohen Kosten für Agrochemikalien ist das Interesse der Winzer an einer zurückhaltenden Ausbringung dieser Mittel stärker denn je. Auch ermöglicht die im Vergleich zu Gemüsen und Früchten wesentlich längere Lagerung und spätere Konsumationsdauer des Weines ein zusätzliches Absetzen und Reduzieren unerwünschter Rückstände. Schwermetalle wie Blei, Cadmium, Kupfer und Zink können auf verschiedene Weise in den Wein gelangen. Man hat herausgefunden, dass heute eine der Hauptursachen für erhöhte Bleiwerte im Wein alte Messinggerätschaften in den Kellern sind. Diese finden sich vor allem noch in klassischen   Weinbauregionen mit kleineren, älteren Betrieben. Amerikanische und australische Weine weisen dagegen meistens tiefere Bleiwerte  auf, weil die  Keller vorwiegend mit Chromnickelstahl ausgestattet sind.

Nicht zuletzt aus Angst vor Rückständen geben immer mehr Konsumenten biologisch hergestellten Weinen den Vorzug. Diese enthalten jedoch keineswegs weniger Schwermetalle wie etwa Kupfer und Blei. Manche Schwermetalle sind auf Grund der Verwendung als Spritzmittel (insbesondere Kupfersulfat) in biologisch hergestellten Weinen häufig sogar in höheren Dosen feststellbar. Allerdings gilt es zu beachten, dass  generell die Rückstände im Wein derart bescheiden sind, dass selbst ein leicht erhöhter Wert immer noch weit unter dem vom Gesetzgeber vorgesehenen Grenzwert liegt. Kupfer, das als «nichtsynthetisches» Pflanzenschutzmittel seit 1885 weltweit gegen den Falschen Mehltau versprüht wird, führt indessen im Rebberg zu einer oft schweren toxischen Belastung der Böden.

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