Anbauregionen und ihre Sammlerweine - NZZ vom Montag, 28. Dezember 2020

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Anbauregionen und ihre Sammlerweine

In Rebensaft zu investieren, macht Spass und kann auch rentieren – doch ist Wein nicht gleich Wein

 

Bei Anlagen in Wein ist ein häufig festzustellender Fehler, dass die gesammelten Weine primär nach den eigenen Vorlieben ausgewählt werden. Doch es gibt viele grossartige Weine, die im «Fine Wine Market» nicht gefragt sind und sich deshalb nicht für eine Investition eignen. Der folgende Text gibt einen Überblick über die für Investitionen interessantesten Weinregionen mit einigen ihrer gesuchtesten Produzenten. Ebenfalls werden die für den Sammler attraktivsten Jahrgänge der jeweiligen Region erwähnt. Diese Liste ist nicht abschliessend und steten Änderungen unterworfen.

 

Bordeaux

Bordeaux bleibt der Massstab und ist die wichtigste und vor allem verlässlichste Region für Wein-Investitionen. Gesamthaft gesehen ist die Lagerfähigkeit am besten, die Marken sind sehr bekannt, die Produktion ist recht gross und die Marktdurchdringung hervorragend. Erstmals stiegen mit dem Jahrgang 1996 die Primeur-Preise übermässig an, später folgten weitere Preisschübe mit den Jahrgängen 2000, 2005 und 2009. Wer die exzellenten Jahrgänge 2009 und 2010 subskribierte, hat bis dato Geld verloren, da die Ausgabepreise der Produzenten viel zu hoch lagen. Im Jahr 2011 erreichten die Preise dank der beispiellosen Nachfrage aus China ihren Höhepunkt, danach wandten sich die Investoren zunehmend dem Burgund und anderen Regionen zu.

Erst mit dem Jahrgang 2019 eröffnen sich wieder neue Investitionsfelder, weil dieser trotz exzellenter Qualität zu 15 bis 30% tieferen Preisen als der 2018er angeboten wurde. Wer den Markt genau beobachtet, kann zudem immer wieder Weingüter entdecken, mit denen kurzfristig Geld verdient werden kann, selbst wenn es keine wichtigen Marken sind. So verdoppelten sich beispielsweise die Notierungen von Carmes Haut-Brion 2016 in kürzester Zeit. Die Qualität gewisser «Super Seconds» ist mittlerweile oft den Premiers Crus ebenbürtig, allerdings haben sie stolze Preise.

Bei einer Kapitalanlage lohnt es sich langfristig, in alte, bekannte Marken wie Pichon-Lalande, Calon-Ségur und Canon zu investieren. «Neue» Weine, wie beispielsweise Valandraud, Quintus oder Magrez Fombrauge, setzen sich in der Regel nicht durch. Wer Bordeaux subskribiert, sollte nach Möglichkeit auch Grossflaschen bestellen; der Mehrpreis ist relativ bescheiden und die potenzielle Wertsteigerung deutlich höher als bei 75 cl-Flaschen.

Wichtigste Marken: Lafite-Rothschild, Mouton-Rothschild, Margaux, Latour, Haut-Brion, Pétrus, La Mission Haut-Brion, Cheval Blanc, Ausone; in kleinen Mengen Lafleur und Le Pin.

Populäre, «blue chip» Brands: Pichon-Lalande, Lynch-Bages, Beychevelle, Calon-Ségur, Canon, Petit Mouton.

Empfehlenswerte neuere Jahrgänge: 2019, 2016, 2015, 2010, 2009 und 2005.

 

Burgund

Der Aufstieg des Burgunds ist schwindelerregend; 2019 betrug sein Anteil am Wein-Umsatz beim Auktionshaus Sotheby’s 50%. In dieser kleinen Weinregion finden sich die weltweit gesuchtesten und teuersten Weine. Die Wahl des Produzenten und des  Jahrgangs ist alles entscheidend, und die erzeugten Mengen sind winzig klein, was die Gegend besonders für Sammler interessant macht. Die Lagerfähigkeit der Rotweine ab 1999 dürfte gut sein, die Weine früherer Jahrgänge sind teilweise weniger haltbar. Weisse Burgunder sind problematischer, denn ihre Haltbarkeit ist mitunter nicht besonders hoch: Vorzeitige Alterung («premox»; premature oxidation) bei Jahrgängen zwischen 1995 und 2013 erbrachte massive Probleme. Mit ein Grund dürften zu tiefe Schwefelgehalte in den Weinen gewesen sein.

Eine Lagertemperatur zwischen 11 und 14 °C ist deutlich wichtiger als im Bordelais, da die Weine viel empfindlicher auf zu hohe Temperaturen reagieren. Bei Käufen sollte man neben den vorherigen Lagerbedingungen auch auf den Transport achten. Als Investition sind Burgunder – sofern man nicht direkt bei den Produzenten oder einem Importeur kaufen kann – im Moment weniger attraktiv, da die Preise im Sekundärmarkt extrem hoch liegen und es bei vielen etablierten Weinen unwahrscheinlich ist, dass sie weiter in diesem Ausmass im Wert steigen werden.

Die Weine der Domaine de la Romanée Conti sind die gefragtesten, dicht danach folgen Armand Rousseau und Domaine Leroy. Es ist allerdings nicht einfach, diese Provenienzen im Sekundärmarkt in vernünftigen Mengen aufzutreiben. Aufgrund des unglaublich hohen Preisniveaus werden Gewächse weiterer Produzenten aus dem Burgund angeboten, die noch vor wenigen Jahren einer breiteren Käuferschicht unbekannt waren. Ein Preiszusammenbruch ist eher unwahrscheinlich; Burgunder passen beispielsweise deutlich besser zur chinesischen Küche als Bordeaux, und sie entsprechen mehr dem herrschenden Geschmack, der eleganten, nicht zu tanninreichen Weinen den Vorzug gibt.

Wichtigste Marken: Domaine de la Romanée Conti, Armand Rousseau, Domaine Leroy, Roumier, Sylvain Cathiard, de Vogüé, Dujac, Comte Liger-Belair, Méo-Camuzet, Rouget.

Empfehlenswerte neuere Rotwein-Jahrgänge: 2016, 2015, 2012, 2010, 2009, 2005.

 

Champagne

Wegen Covid-19 sind die Verkäufe von Champagner weltweit zurückgegangen, denn die Gastronomie ist äusserst wichtig für den Absatz.Von dieser Baisse ausgenommen sind jedoch die Jahrgangs- Champagner des «Fine Wine Market». Sie sind im Moment im Vergleich zu den anderen berühmten Weinen preislich unterbewertet, aber dennoch mehr und mehr gefragt, weil sie ein attraktives Preisniveau besitzen, das noch Raum für Entwicklung bietet. So gibt die Handelsplattform Liv-ex in ihrem lesenswerten Bericht «Champagne – a market without bubbles» – den Durchschnittspreis für zwölf Flaschen erstklassigen Champagner mit 1485 £ an, bei den hochwertigsten Bordeaux liegt er bei 12 201 £, bei den Burgundern gar bei 15 039 £.

Noch vor 35 Jahren lagen die Preise dieser drei Kategorien ziemlich nahe beieinander. Inzwischen haben die Sammler den Reiz gereifter, hochstehender Jahrgangs-Champagner entdeckt – ein Phänomen, das bisher nur in Grossbritannien verbreitet war. Positiv wirken sich auch das oft exzellente Marketing aus (beispielsweise bei «Dom Pérignon»), das weltweite Vertriebsnetz und der selbst unter Laien hohe Bekanntheitsgrad der Marken.

«Dom Pérignon» ist der unbestrittene Marktführer, trotz der gigantischen Produktion von geschätzten 10 Mio. Flaschen jährlich; die Produktion von Louis Roederer «Cristal» liegt markant tiefer, wahrscheinlich bei etwa 0,7 Mio. Flaschen. Die Performance des sehr kleinen Produzenten Salon war in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich. Im Auge behalten sollte man die besten Winzer-Champagner (z. B. Agrapart, Egly-Ouriet), die sich immer grösserer Beliebtheit erfreuen.

Wichtigste Marken: Moët & Chandon «Dom Pérignon», Louis  Roederer «Cristal», Krug, Bollinger «Grande Année» und «R.D.», Pol Roger «Sir Winston Churchill», Salon, Taittinger

«Comtes de Champagne».

Empfehlenswerte neuere Jahrgänge: 2012, 2008, 2004 und 2002.

 

Rhône

Dank Robert Parker stieg die Rhône zu einer der weltweit angesehensten Weinregionen auf. Die Weine sind meist gut haltbar (gewisse modern vinifizierte Châteauneuf reifen schneller) und repräsentieren im internationalen Kon- text einen soliden Gegenwert. Es existieren auch sehr gute Weissweine; der Sammler sollte sich jedoch auf die Rotweine der nördlichen Rhône konzentrieren. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, wie beispielsweise Rayas oder Bonneau, war die Performance der südlichen Rhône (Châteauneuf-du-Pape) nicht überzeugend. Rayas hat die Voraussetzungen zum Kultwein; bei Beaucastel ist die Produktion stark ausgeweitet worden.

Wichtigste Marken: Guigal, Jean- Louis Chave, Jaboulet Aîné, Chapoutier. Rayas, Henri Bonneau, Beaucastel

«Hommage Jacques Perrin».

Empfehlenswerte Jahrgänge nördliche Rhône: 2015, 2010, 2009, 2005,v2003.

Empfehlenswerte Jahrgänge südliche Rhône: 2016, 2010, 2007, 2005.

 

Toskana

Die italienischen Weine sind immer gefragter, allen voran jene aus der Toskana. Die Region kann ein bisschen mit dem Bordelais verglichen werden, denn häufig existiert ein Konzept ähnlich einem Bordeaux-Château mit Bordelaiser Rebsorten (Bolgheri). Die Einstiegspreise sind relativ tief, im Vergleich zum Bordelais sind die Weine allerdings – von Ausnahmen abgesehen – nicht besonders lange haltbar. Dominierend ist Sassicaia, Masseto mausert sich immer mehr zum Kultwein, Biondi-Santi hat Weine sehr unterschiedlicher Qualität (der neue Eigentümer dürfte diese jedoch stabilisieren); bei Sassicaia und Tignanello liegt die Produktion mit jährlich je 0,4 Mio. Flaschen deutlich höher als bei den besten Bordeaux. Wer investiert, sollte möglichst junge Jahrgänge erwerben, um sich den Handlungsspielraum zu bewahren.

Wichtigste Marken: Sassicaia, Masseto, Ornellaia, Tignanello, Brunello di Montalcino Case Basse, Biondi-Santi, Solaia, Fontodi Flaccianello, Pergole Torte, Le Macchiole Messorio, Tua Rita Redigaffi.

Empfehlenswerte neuere Jahrgänge: 2016, 2015, 2013, 2010, 2006.

 

Piemont

Entspricht die Toskana vom Konzept her eher dem Bordelais, so ähnelt Piemont dem Burgund. Die dominierende Traubensorte bei den teuersten Weinen ist Nebbiolo, die Mengen sind häufig sehr klein (zwischen 5000 und 10 000 Flaschen). Wie die Weine aus der Toskana sind seit einigen Jahren die berühmtesten Piemonteser – allen voran Barolo und Barbaresco – ausserordentlich gefragt und die Preissteigerungen teilweise enorm. Sammler, die von früher her direkt beim Produzenten kaufen können, dürfen sich einer exzellenten Rendite erfreuen. Entgegen der weitverbreiteten Meinung sind die neueren Jahrgänge von Barolo und Barbaresco nicht immer besonders gut haltbar. Hier ist für den Investor bei der Auswahl Vorsicht geboten, und es ist empfehlenswert, die Weine jung zu erstehen, um Notverkäufe zu vermeiden. Das Preisniveau ist bereits hoch, und die Produzenten haben teilweise noch gut gefüllte Lager.

Wichtigste Marken: Bruno Giacosa, Gaja, Giacomo Conterno, Sandrone, Aldo Conterno, Vietti, Bartolo Mascarello, Giuseppe Rinaldi, Roberto Voerzio. Empfehlenswerte neuere Jahrgänge: 2016, 2013, 2010, 2004.

 

Kalifornien

Die Preisentwicklung der gesuchtesten Napa-Valley-Weine in den letzten zwanzig Jahren ist geradezu schwindelerregend, das Marketing grandios. Manche Gewächse liegen preislich bereits derart hoch (z. B. Screaming Eagle), dass weitere Steigerungen unwahrscheinlich erscheinen. Nicht alle Weine reifen ausserdem gleich gut; es gibt Beispiele von einigen prominenten Provenienzen, die vorzeitig altern. Heitz ist seit Jahren unterschätzt und – im Gegensatz zu manchen, berühmteren Kontrahenten – gut über einen längeren Zeitraum lagerfähig.

Wichtigste Marken: Screaming Eagle, Harlan, Colgin, Dominus, Opus One, Heitz Martha’s Vineyard, Ridge Monte Bello, Abreu, Phelps Insignia, Shafer Hillside Select.

Empfehlenswerte neuere Jahrgänge: 2016, 2015, 2013, 2012, 2010, 2007.

 

Derzeit nicht gefragte Länder und Regionen

Süssweine jeglicher Art (z. B. Sauternes, deutsche Beerenauslesen) sind grossartige Erzeugnisse mit einem exzellenten Preis-Leistungs-Verhältnis, allerdings lohnen sie kein Investment (mit Ausnahme vielleicht von Egon Müller), obwohl ihre Haltbarkeit sehr hoch ist. Spanien (Vega Sicilia, Pingus) und Australien (Penfolds «Grange», Henschke «Hill of Grace») sind für den Investor ebenfalls nicht besonders profitabel, wenngleich verschiedenste hervorragende Weine in diesen Ländern erzeugt werden. Das anfängliche Interesse wurde durch zu hohe und zu rasch steigende Preise gedämpft. Auch Lateinamerika und Südafrika generieren bis dato kein Interesse. Im Auge behalten sollte man jedoch die Entwicklung der Grossen Gewächse aus Deutschland (Riesling und Pinot Noir; z. B. Keller G-Max) – nicht zuletzt, weil das Konzept jenem der Burgunder sehr ähnlich ist und die verfügbaren Mengen klein sind.