Weingut Künstler, Riesling Erste Lage 2022

«In Bezug auf Wein ist Toleranz gar kein gutes Wort», sagt Gunter Künstler mit entschlossener Miene. Und man nimmt ihm auch sofort ab, dass man als Lesehelfer äusserst präzise arbeiten muss, um den hohen Ansprüchen des Chefs zu genügen. Wir stehen in der Hochheimer Hölle, einem seiner besten Rebberge, wo er uns voller Begeisterung erklärt, was für ihn wichtig ist: «Es ist entscheidend, genau und sorgfältig vorzugehen und die Rebe so zu kultivieren, dass sie möglichst ohne grosse Eingriffe eine hohe Qualität erbringt. Reguliere ich beispielsweise den Ertrag von Beginn weg richtig, erhalte ich aufgrund des geringeren Behangs ohne spätere Grünlesen optimal ausgereifte Trauben. Dann geht es darum, exakt zu arbeiten und jede Parzelle zur richtigen Zeit zu lesen sowie – wo sinnvoll – separat auszubauen, um ihr volles Potential auszuschöpfen.»

Wein, betont Gunter freudig, mache ihm Spass, und dass dies kein Lippenbekenntnis ist, demonstriert er sogleich bei der anschliessenden Degustation. Obschon es eigentlich nur um die Schlussabnahme unserer Spezialfüllung geht, serviert er uns sein gesamtes Sortiment, das in jeder Preiskategorie erstklassige Qualität bietet. Erstaunlich unter anderem ist sein Sauvignon Blanc, den er auf einer reinen Kalklage gepflanzt hatte.

Der 60jährige Gunter Künstler ist in Sachen Riesling eine Kapazität und hat sich durch seinen hohen Qualitätsanspruch international einen Namen gemacht. Nicht überraschend wurde er letztes Jahr mit Preisen und hohen Bewertungen geradezu überhäuft. Besonders freut uns deshalb, dass er für unsere Spezialfüllung so ungewöhnlich viel Aufwand betreibt. Die Lage Hochheimer Hölle ist eigentlich ein Grosses Gewächs; 2022 erreichte es bei Künstler 13.2% Alkoholgehalt. Für unsere Füllung selektionierte Gunter jedoch eine etwas leichtere Variante mit lediglich 12.5%, die er im grossen Holzfuder vergor und ausbaute, was dem Wein zusätzliche Komplexität verleiht. Das Wort ‹Hölle› stammt übrigens aus dem Mittelhochdeutschen und bedeutet Abhang. Die Südlage, die bis ins 13. Jahrhundert im Besitz des Kölner Domkapitels war, zeichnet sich durch schwere Tonböden aus, die insbesondere in trockenen Jahren für eine gute Wasserversorgung garantieren. Dies war im heissen, niederschlagsarmen Jahr 2022 ein wesentlicher Vorteil.

Gunter erklärt: «Wie in vielen europäischen Weinregionen waren auch wir überrascht von der hohen Qualität. Erstaunlich ist überdies, dass unsere Weine trotz der Hitze eine schöne Frische und viel Eleganz aufweisen. 2022 ist zweifellos ein sehr guter Jahrgang!» Diesem Urteil können wir uns ohne Wenn und Aber anschliessen.