Mittlerweile ist der biologische Anbau auch im Bordelais, insbesondere bei den Crus Classés, weitverbreitet. Das war bis vor kurzem noch nicht so. Nicola Allison, studierte Medizinerin und Eigen- tümerin von Château du Seuil, lacht und sagt: «Bei einigen Weinproduzenten hat man den Eindruck, sie hätten den biologischen Weinbau geradezu erfunden. Tatsächlich aber gehörten wir zu den ersten in Bordeaux, als wir 2009 mit der biologischen Bewirtschaftung anfingen. Unsere Rebberge umgeben das Château, und da wir mit unseren damals kleinen Kindern hier lebten, wollte ich auf keinen Fall, dass sie mit Pestiziden in Berührung kamen. Die Umstellung war allerdings nicht einfach. Weil die Pflanzen noch geschwächt waren, sahen wir uns zu Beginn mit einigen Herausforderungen konfrontiert. Nach einiger Zeit stellten wir jedoch fest, dass die Rebberge viel gesünder und widerstandsfähiger wurden. Im schwierigen Jahr 2021 hatten wir beispielsweise überhaupt keine Probleme. Ausserdem wurzeln unsere alten Reben tiefer, was die Wasserversorgung in heissen, trockenen Jahren deutlich verbessert. Im Zuge der Klimaerwärmung ist das natürlich ideal.» Ein Rundgang durch die lediglich 15 ha umfassende Domäne ist immer ein Vergnügen, nicht zuletzt, weil der wunderbare Park im Sommer eine herrliche Erfrischung bietet.
Nicolas grosse Liebe zum Weinbau spürt man sofort. Von ihrer Tätigkeit erfüllt, strahlt sie voller Freude, als sie uns durch die Rebberge führt und im Anschluss im gepflegten Barriquekeller einige Kostproben der neuesten Jahrgänge serviert. Sie kann mit Recht stolz auf ihre Weine sein, die übrigens auch sehr gut reifen. So hat sich beispielsweise der 2016er wunderbar entwickelt. Mit von der Partie ist auch Kellermeister Charles Medeville, den Nicola bereits von früh auf kennt und der seit zwei Jahren auf dem Weingut arbeitet. Der Spross einer bekannten lokalen Winzerfamilie studierte zunächst Recht, ehe er zum Wein zurückkehrte. Wir verkosten gemeinsam mit den beiden die aktuellen Jahrgänge und sind insbesondere vom 2019er und 2020er begeistert. Der 2019er ist dichter und nobler als der schon sehr gute 2018er. Ausserdem – das wird unsere Kunden freuen – sind die Tannine geschmeidiger und der Wein präsentiert sich bereits in seiner verführerischen ersten Trinkreife. Qualitativ kann er sich problemlos neben deutlich kostspieligeren Rotweinen aus der Region Graves behaupten.