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Kunstkarten
John Taylor Arms «Venetian Filigree» (Palazzo Ca’ d’Oro) 1931
Radierung, Fletcher 235 ii (139), Drucker Henri E. Carling, gedruckt auf Taylor Arms eigenem, von ihm selbst handgeschöpften, blaugrünem Papier
John Taylor Arms (1887 – 1953) war einer der einflussreichsten Druckgraphiker der USA in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Insgesamt sind von ihm 440 Arbeiten, zumeist Radierungen, bekannt. Er war ein bescheidener, umgänglicher und tief religiöser Mensch mit einem starken Durchsetzungsvermögen. Zu seinen Lebzeiten hochgeschätzt, wurde er mit Preisen und Ehrentiteln nahezu überhäuft. Technisch zählte er mit Sicherheit zu den grössten Meistern dieses Handwerks überhaupt. Er besass die geradezu phänomenale Fähigkeit, allein durch Linien die Oberflächbeschaffenheit von Materialen sowie Licht und Schatten in magisch-photographischer Präzision wiederzugeben. Ursprünglich hatte Arms Jura in Princeton und danach Architektur am MIT in Boston studiert. Seine Frau schenkte ihm 1913 zu Weihnachten ein Radier-Set, das ihn dazu animierte, hobbymässig Bilder zu stechen und seine Fähigkeiten weiter zu perfektionieren. Diese Arbeit faszinierte ihn so stark, dass er 1919 beschloss, seinen Beruf als Architekt aufzugeben und sich vollumfänglich der Druckgraphik zu widmen, zu Beginn mit der fachlichen Unterstützung von Bolton Brown (Lithographie) und Eugene Higgins (Radierung). Begeistert war er vom französischen Radierer Charles Meryon und dem Amerikaner James McNeill Whistler. Jennifer Saville sagt dazu: «If Arms turned to Meryon for spiritual guidance, he recognized Whistler for his technical brillance und compositional innovations. […] In the prints of Meryon, Arms found inspiration for what he called the expression of the spirit of the subject, and not ist mere physical appearence.» Er legte eine eigene, grosse Sammlung mit 5000 Blättern verschiedenster Künstler an und setzte sich ausserdem in diversen Berufsverbänden für die Förderung dieser Kunstrichtung ein. So amtete er beispielsweise während über dreissig Jahren als Präsident der Society of American Etchers und war zusammen mit Stow Wengenroth im Komitee des Pennell Fund, das über Graphik-Zukäufe für die Library of Congress in Washington entschied. Arms unterrichtete überdies oft und demonstrierte gerne vor Publikum die Technik des Radierens. Daneben war er bei vielen Amerikanern auch als Garten-Spezialist bekannt.
In der frühen Periode zwischen 1915 und 1922 experimentierte er mit verschiedenen Techniken wie Lithographie, Aquatinta, Kaltnadel und Schabtechnik (Mezzotinto). Er schuf zahlreiche exzellente Werke. Obwohl ihm einige grandiose Aquatinta (z.B. «Drifting», «Moonlight» und «Butterfly») gelangen, beschloss er 1920 diese für ihn zu wenig präzise Technik aufzugeben und nur noch mit der Radiernadel zu arbeiten. Arms war ein höchst begabter Zeichner und ein unglaublich sorgfältiger, skrupulöser Handwerker. Anstelle von Radiernadeln verwendete er Nähnadeln und Vergrösserungsgläser, was ihm erlaubte, die Linien noch feiner und genauer zu ziehen. Seit Anfang der 1920er Jahre bereiste Arms gemeinsam mit seiner Familie regelmässig Europa, vornehmlich Frankreich, Italien und Spanien, später auch England. Besonders intensiv waren die Erkundungstouren zu den wichtigen gotischen Kirchen in Frankreich, von denen er viele Sujets anfertigte, von gewissen, die ihn besonders beeindruckten – wie der Kathedrale in Chartres – gleich mehrere. Bei deren Wiedergabe ging es ihm nicht nur um eine möglichst präzise architektonische Abbildung, sondern auch darum, den Geist und die einzigartige Ausstrahlung des Ortes einzufangen: «I have spoken of the union, in a great etching, of the spiritual conception and the technical power of expressing it. […] … in the Gothic churches of France these same two qualities are perfectly blended.»
John Taylor Arms und seine Frau waren von Venedig begeistert. Er schuf acht wichtige Werke mit venezianischen Themen. «Venetian Filigree» ist einer seiner bekanntesten Drucke und zeigt den berühmten Palazzo Ca’ d’Oro aus dem 15. Jahrhundert mit seiner aufwendigen Marmorfassade. Er beherbergt heute ein Museum, das auf Baron Giorgio Franchetti zurückgeht. Arms Werk beeindruckt durch seine atemberaubend feinen Linien, mit denen er in unnachahmlicher Präzision die unterschiedlichen Strukturen der reichhaltigen, steinernen Fassade mit den geschlossenen Türen, Fenstern und dunklen Balkonen lebensecht darstellt. Dabei liess er die räumliche Tiefe gewissermassen in den Hintergrund treten und betonte stattdessen die Flächen und abstrakt wirkenden Muster der Gebäudefront sowie deren Spiegelbild im Wasser. Dieser spezielle Realismus führt paradoxerweise dazu, dass das Sujet in seiner gestochen scharfen, planen Sachlichkeit beinahe surreal erscheint.
Arms war in jeder Hinsicht ein Perfektionist und besass auch eine Obsession für Papier. So griff er zu verschiedensten Sorten, darunter auch Bögen aus alten Büchern. Zusätzlich erlernte er beim Papier-Guru Dard Hunter das Handwerk des Papierschöpfens und kreiert sein eigenes, zart blaugrünes Papier, das er mitunter für seine Drucke verwendete, erstmals beim «Palazzo dell’Angelo» und dann auch bei dem hier präsentierten Druck.