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Kunstkarten
Francisco de Goya «Modo de Volar» (Disparates / Proverbios) 1864
Radierung, Aquatinta und Kaltnadel, Delteil 214, Harris 260 III, 1. Ausgabe (von 9) ehemals Sammlung Charles H. Morgan, Amherst
Goya war nicht nur einer der berühmtesten spanischen Maler, er zählt auch mit seinem druckgraphischen Schaffen zu den wichtigsten Künstlern dieses Genre überhaupt. Der Kunsthistoriker und Goya-Spezialist August L. Mayer schrieb: «Von wenigen Künstlern besitzen wir eine derartige Fülle bedeutendster graphischer Schöpfungen. … Wie als Maler, so gewann Goya auch als Radierer erst nach seiner schweren Krankheit im Jahre 1792 die volle künstlerische Freiheit.» Und Ernst Rebel: «... Goya hat die Aquatinta zum Gipfel ihrer Möglichkeiten geführt. … Während bisher der Kornraster möglichst unsichtbar gehalten wurde, tat Goya nun mit ihm gerade das Gegenteil. Er kehrte die amorphe Rasterstruktur hervor…»
Nur zwei von Goyas insgesamt vier Druckserien – «Los Caprichos», «Los Desastres de la Guerra», «Tauromaquia» und «Disparates» – wurden zu seinen Lebzeiten veröffentlicht. Die «Disparates» (auch bekannt unter «Los Proverbios»), hat er zwischen 1815 und 1824 vor seiner Abreise nach Bordeaux geschaffen. Sie wurden erst nach dem Tod seines Sohnes entdeckt, der sie bei sich aufbewahrt hatte. Die erste, qualitativ sehr gute Auflage erfolgte dann 1864 durch Laurenciano Potenciano von der Calcografía, der 1863 bereits den Druck der «Desastres» ausführte. Der Titel «Proverbios» stammt von der Königlichen Akademie von San Fernando; Goya selbst verwendete diese Bezeichnung nie, oft beschriftete er die Blätter mit «Disparates» – Unsinnigkeiten, Dummheiten oder Absurditäten, wie sie beispielsweise in Träumen auftreten können. Später wurden vier weitere Platten entdeckt, die sich damals im Besitz des spanischen Malers Eugenio Lucas befanden. Sie wurden 1877 erstmals in der Zeitschrift «L’Art» in Paris veröffentlicht.
Für Mayer sind die «Disparates» gewissermassen Goyas expressionistisches Werk und das malerische Gegenstück zu den schwarzen Gemälden in der Quinta del Sordo, die er direkt auf die Wände seines Ess- und Wohnzimmers aufgetragen hatte. Als Goya sie schuf, war er 73 Jahre alt und nahezu taub. Seine Frau war verstorben, sein Sohn Francisco Javier ein Faulenzer und sein Stern am königlichen Hof am Verblassen. Goya war zutiefst deprimiert und schien jede Hoffnung verloren zu haben. Diese letzte von seiner graphischen Serien ist mit Sicherheit jene, die am schwierigsten zu interpretieren ist. Die gestalterische Schönheit dieser 22 rätselhaften, dunklen Aquatinta Radierungen ist indes unübertroffen, und in ihrer Erscheinung wirken sie bereits als Vorläufer der Moderne. Zu den berühmtesten Blättern gehört Nr. 13 «Modo de Volar», eine Darstellung von Männern mit vogelähnlichen Helmen bei ihren Flugversuchen in der Dunkelheit. Sie könnten einerseits Bezug nehmen auf die instabile, brutale und dumme Regentschaft Ferdinands VII. oder auf die damals üblichen Veranstaltungen mit Fluggeräten und Fallschirmen, wie sie zu dieser Zeit auch in Madrid stattfanden.