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Kunstkarten
Lucas van Leyden «Lot und seine Töchter» 1530
Kupferstich, Bartsch 16, New Hollstein 16 Ia (von III) Wz. Wappenschild 2b Privatsammlung
Lucas van Leyden (1489/94 – 1533) war einer der Hauptmeister der Niederländischen Renaissance und einer der wichtigsten Druckgraphiker überhaupt zu Beginn des 16. Jahrhunderts. Er galt schon früh als Wunderkind und soll bereits im zarten Alter von neun Jahren Kupferstiche angefertigt haben. Van Leyden kann in manchem mit Dürer verglichen werden; nicht zuletzt war er wie dieser ein grossartiger Maler und Druckgraphiker. Rund 200 Kupferstiche, Radierungen und Holzschnitte sowie etwa siebzig Buchillustrationen sind von ihm bekannt. Erst ab etwa 1520 widmete er sich vermehrt der Malerei; leider sind nur noch um die zwanzig Gemälde erhalten geblieben, darunter sein berühmtes «Triptychon des Jüngsten Gerichts» in Leiden und die «Anbetung des Goldenen Kalbs» im Reichsmuseum Amsterdam.
Lucas van Leyden verband den mittelalterlichen Norden mit der Renaissance des Südens auf brillante Weise. Er steht – mitunter zu Unrecht – deutlich im Schatten Dürers. Ein grosser Bewunderer der Leyden’schen Druckgraphik war Rembrandt (1606 – 1669), der ebenfalls in Leiden aufwuchs; offenbar erstand er einst bei einer Auktion 14 seiner Drucke, wofür er die horrende Summe von 1400 Florins bezahlte. Rembrandt liess sich auch von seinem Landsmann inspirieren, beispielsweise durch dessen aufwendigen «Ecce Homo» von 1510, ein Motiv, das 1655 unter demselben Titel in einem seiner berühmtesten Blätter Ausdruck fand. Beiden Meistern gemeinsam war ihre Vorliebe für Alltagsszenen und einfache Menschen.
Über van Leydens Leben ist vergleichsweise wenig bekannt; eine wichtige, wenn auch nicht immer zuverlässige Quelle stellt Karel van Manders umfangreiche Biographie dar. Durch seine Heirat 1526 mit Lysbeth van Boschhuyzen, der Tochter des Bürgermeisters von Leiden, kam Lucas van Leyden in Kontakt mit den noblen Kreisen der Stadt. Die Ehe blieb kinderlos, doch anscheinend hatte er eine uneheliche Tochter (geb. ca. 1512), was nach seinem Tod zu Erbstreitigkeiten mit seiner Frau Lysbeth führte. 1521 traf er sein Vorbild Dürer, der von ihm sogar ein Portrait zeichnete. Der zu Schwermut neigende kleinwüchsige Künstler verstarb schon früh 1533, wahrscheinlich an Tuberkulose; sein Geburtsdatum variiert, einige vermuten 1494, andere 1489 (das Taufregister ist verschollen).
Van Leydens feine, subtile Gravurtechnik erlaubte nur eine geringe, deutlich kleinere Anzahl von Abzügen als bei Dürer. Er war ein Virtuose seines Fachs und stach seine Platten direkt, ohne Vorzeichnung. Zudem war er der erste, der aufgrund einer anderen Ätzflüssigkeit auf Kupferplatten radieren konnte und den Kupferstich im selben Druck zusammen mit der Radiertechnik anwendete. Van Mander erwähnte in seinem Schilder-boeck, dass van Leyden ‹haufenweise› mangelhafte Drucke verbrannt und nie solche von geringer Qualität herausgegeben habe. Lucas van Leyden war ein begnadeter Erzähler und für seine teils höchst originellen, ungewöhnlichen Bildkompositionen bekannt. Mit dem «Tanz der heiligen Maria Magdalena» schuf er eine meisterhaft inszenierte Darstellung, die es so vorher noch nie zu sehen gab. Auch nach seinem Tod blieb die Nachfrage nach seinen Werken sehr gross, und gute Abzüge sollen schon im 17. Jahrhundert äusserst selten geworden sein. Zahlreiche seiner Platten wurden daher weiterverwendet, obwohl sie bereits abgenutzt waren. Das erklärt, weshalb derart viele schlechte Drucke dieses Künstlers zirkulieren. Zitat Eberhard W. Kornfeld: «Bei Leyden muss man leiden.» In dieser Hinsicht sollte sich der Sammler vor Spätdrucken hüten, insbesondere vor jenen des Verlegers Maarten Peeters (M. Petri exec.), dessen Signatur auf manchen Blättern deshalb nachträglich entfernt wurde. Zumindest kann (bei den grösseren Abzügen) ein Blick auf die Wasserzeichen helfen, den Druckzeitpunkt zu bestimmen (s. dazu New Hollstein Leyden S. 21ff. und 261ff.). Ein charakteristisches Merkmal der Arbeiten van Leydens ist der leicht graue Farbton, der zwischen 1512 und 1517 zu beobachten ist; ab 1517 bis 1520 erscheint dieser Grauton nahezu silbern. Hauptursache sind einerseits die feinen Gravuren, die durch eine entsprechend verminderte Farbaufnahme weniger schwarz wirken, andererseits die Drucktechnik sowie die Verwendung trockener, nicht öliger Tinten, wie Ellen Jacobowitz in ihrem ausgezeichneten Werk über die Druckgraphiken van Leydens bemerkt. Ein grauer Ton kann allerdings auch durch eine abgenutzte Platte hervorgerufen werden (wie bei Petri).
Tiefschwarze Drucke stammen meist nur aus ganz frühen Jahren zwischen 1505 und 1512 oder dann aus der Zeit um 1529/30. Die Arbeiten von 1529 und 1530 sind vor allem dem menschlichen Körper gewidmet, wobei die Landschaft in den Hintergrund tritt; sie sind in einer neuen, massiveren Gravurtechnik gestochen (inspiriert vermutlich von Marcantonio Raimondi), was mehr qualitativ hochstehende Abzüge ermöglichte.
Diese Entwicklung lässt sich sehr schön am Blatt «Lot und seine Töchter» von 1530 erkennen. Van Leyden – der selbst nie in Italien war – lernte die Italienische Renaissance vermutlich über den Maler Jan Gossaert kennen, mit dem er 1527 eine grössere, anscheinend sehr luxuriös angelegte Schiffsreise durch Flandern und Brabant unternahm. Dabei sollen sich die beiden durch den Auftritt in edelsten Kleidern gegenseitig zu übertrumpfen versucht haben. Die Figuren in «Lot und seine Töchter» sind kräftiger und barocker modelliert, die erotische Stimmung deutlich spürbar, die Landschaft ist viel weniger präsent. Bartsch meint zu diesem Druck: «[…] Il y a peu de pièces dans l’œuvre de Lucas, qui soient gravées d’une manière aussi terminée que celle-ci, et qui soient en même temps dessinées de meilleur goût. […]»