Albrecht Dürer ist einer der grössten Maler und Druckgraphik-Künstler der Renaissance. Heute ist er vor allem durch seine überragenden Gemälde bekannt, obschon er – was viele nicht wissen – seinen Ruhm ursprünglich durch die Druckgraphik erlangte. So berichten Schoch Mende Scherbaum in ihrem Standardwerk: «[…] Im Todesjahr Albrecht Dürers, 1528, veröffentlichte Erasmus von Rotterdam eine berühmte Eloge auf den Künstler. […] Ganz selbstverständlich wird der Künstler darin nach seiner Druckgraphik bewertet, die den Zeitgenossen – mehr als seine Malerei – bekannt war und seinen europäischen Künstlerruhm begründete.» In zahlreichen Briefen beschwerte Dürer sich auch immer wieder über die unzureichende Bezahlung seiner Gemälde. Im Briefwechsel mit Jacob Heller beklagte er sich beispielsweise, dass ihn die schlecht honorierte Arbeit am Altarbild für die Frankfurter Dominikanerkirche ruinieren würde und er ein reicher Mann wäre, hätte er dieselbe Zeit fürs Kupferstechen aufgewendet.
Wie zahlreiche andere bekannte Kupferstecher, stammte auch Dürer aus einer Goldschmiedefamilie, wo er die Technik zur Bearbeitung von Metall erlernte. Im Vergleich zum Holzschnitt war der Kupferstich sehr viel arbeitsintensiver und teurer und erbrachte weniger Abzüge, dafür war er wesentlich filigraner und hochstehender. Allerdings kostete er bei gleichem Format auch meist doppelt so viel. Oft sollen Dürers Skizzen für einen Kupferstich ähnlich detailliert gewesen sein wie für ein Gemälde. Anders als bei den Holzschnitten, bei denen ein spezialisierter Handwerker Dürers Reinzeichnung auf den Holzstock übertrug, stach er die Kupferplatten eigenhändig. Dass in Dürer auch ein unübertrefflicher Maler steckte, demonstrierte er wohl erstmals mit dem «Rosenkranzfest», einem grossformatigen Altarbild, das er 1506 im Auftrag der deutschen Kaufleute in Venedig für deren Kirche San Bartolomeo angefertigt hatte und das dann 1606 von Kaiser Rudolf II. für eine enorme Summe erworben wurde. Die Wirkung des Bildes war derart spektakulär, dass der Patriarch der Stadt, der Doge Leonardo Loredan, ihm sogar anbot, sich im Dienste Venedigs für ein jährliches Gehalt von 200 Gulden der Malerei zu widmen.
Dürers Erfolg scheint eine Mischung aus einzigartigem Talent und glücklichen Fügungen gewesen zu sein. Nürnberg, wo er aufwuchs, bot ein ideales Umfeld für Künstler. Die Stadt war zu dieser Zeit eine der wichtigsten des Reiches und wirtschaftlich sehr prosperierend. Das Haus der Familie befand sich in unmittelbarer Nachbarschft zu bedeutenden Unternehmern und Geistesgrössen. Sein Taufpate Anton Koberger, der zu den wichtigsten Verlegern gehörte und Betreiber einer der grössten Druckereien des Reiches war, wohnte im selben Quartier. Ebenfalls in der Nähe war die vielleicht damals angesehenste Werkstatt Nürnbergs, jene des Malers und Holzschnittmeisters Michael Wolgemut, zu dem Dürer drei Jahre in die Lehre ging. Die seinerzeit noch sehr junge Technik der Druckgraphik und des Buchdrucks weckte Dürers grosses Interesse. Nach seinen Wanderjahren kehrte er 1495 nach Nürnberg zurück und heiratete die Tochter einer angesehenen Patrizierfamilie. In der Absicht, sich vorrangig der Druckgraphik zu widmen, begann er mit dem Aufbau seiner eigenen Werkstatt.
Die Veröffentlichung seines auf eigenes Risiko herausgebrachten Buches «Die Offenbarung des Johannes» im Jahr 1498, bekannter unter dem Namen «Apokalypse», war ein Riesenerfolg und machte ihn in ganz Europa berühmt. Darin präsentierte er Holzschnitte von einer bisher unerreichten Qualität. Seine Kupferstiche übertrafen diese noch deutlich und waren grandios (z.B. «Adam und Eva»); sie deckten sowohl kirchliche wie auch geschickt gewählte profane Themen ab (z.B. «Die vier Hexen»). Dürer war zudem der erste, der in Europa realistische Landschaftsbilder malte. Bereits 1497 beschäftigte er zwei Verkäufer, die seine Graphiken auf dem ganzen Kontinent vertrieben. Zu Berühmtheit gelangte auch sein bester Mitarbeiter, Hans Baldung Grien, der während Dürers Reisen die Werkstatt leitete. Hieronymus war der von Dürer am meisten dargestellte Heilige. Bereits eines seiner frühesten Bilder aus dem Jahr 1495 hatte ihn zum Motiv. 1521 malte er in den Niederlanden einen Hieronymus, der so beliebt war, dass daraufhin viele Künstler ebenfalls Gemälde dieses Heiligen anfertigten. Im graphischen Werk Dürers finden sich insgesamt sechs Darstellungen des Hieronymus. Grund dafür war sicher dessen stetig wachsende Verehrung, die im Verlauf des 16. Jahrhunderts auch Nürnberg erfasste. Nach dem Tod zweier enger Freunde 1513 sowie dem Verlust der geliebten Mutter 1514 stach Dürer im selben Jahr den «Hieronymus im Gehäus», einen seiner drei Meisterstiche. Es heisst, er hätte im Erschaffen dieser Werke, die im Format fast identisch sind, Trost gefunden und dabei «mit nicht mehr zu steigernder graphischer Präzision und Formsicherheit gearbeitet» (Schoch Mende Scherbaum). Die Kupferstiche sollen anhand eines Kriegsmannes (der Ritter), eines Gelehrten (Hieronymus) und eines Künstlers (Melancholie) die Möglichkeiten für ein gottesfürchtiges, sinnerfülltes Leben aufzeigen.
Keinen anderen Stich hat Dürer häufiger verschenkt als den «Hieronymus», oft zusammen mit der «Melancholie». Manche verstanden diese beiden Blätter deshalb als Einheit. Die rätselhafte «Melancholie» ist übrigens das am meisten besprochene und kommentierte Werk der Kunstgeschichte. Zwar ist die Literatur zum «Hieronymus» ebenfalls vielfältig, aber deutlich überschaubarer. Sie beschreibt den Kirchenvater am Tisch sitzend bei der Übersetzung der Bibel. Schoch Mende Scherbaum monieren, dass im Vergleich zur «Melancholie» und zu «Ritter Tod und Teufel» eine gründliche Analyse des Werks immer noch ausstünde. In der Deutung des Stiches gibt es zwei Hauptrichtungen. Die eine interpretiert ihn wie ein Biedermeierbild: ein christlich-tugendhaftes Leben, friedlich, stimmungsvoll, weltabgeschieden. Die andere glaubt das Abgründige in der Arbeit zu erkennen, mit zahlreichen verstörenden Elementen und Anspielungen auf den Tod: der Totenschädel, die abgebrannte Kerze, die ablaufende Sanduhr, der von der Decke baumelnde gedörrte Kürbis, das Kruzifix auf dem Tisch, die unordentlich abgelegten Pantoffeln und Bücher sowie das auf dem Boden liegende statt an der Wand hängende Autorentäfelchen. Einige sehen in Hieronymus den Universalgelehrten Erasmus von Rotterdam. Bemerkenswert sind das hereinfallende Licht, die äusserst feine Ausarbeitung und die vielen Details, die Dürer in das Bild einfliessen lässt.