Heutzutage ist Hendrick Goltzius (1558 – 1617) den meisten kein Begriff mehr. Tatsächlich war er aber um 1600 einer der berühmtesten und gefeiertsten Künstler Europas, der mit seinen Kupferstichen Furore machte und ab 1582 einen eigenen Verlag mit Angestellten in Haarlem betrieb. Bereits als Kind war Goltzius ein passionierter Zeichner, zuerst zu Hause an den Wänden, später als Lehrling bei seinem Vater. Auffallend war, dass er wenig kopierte, jedoch sehr häufig eigene Sujets erfand. Sehr prägte ihn die graphische Lehre bei Dirck Volkertszoon Coornhert, einem universell gebildeten Kupferstecher, der auch Notar, Theologe und Humanist war und seinen Schüler nach Kräften förderte. So ist Goltzius’ posthumer Kupferstich seines Lehrers eine seiner beeindruckendsten Arbeiten, die der auch als Portraitist sehr talentierte Künstler geschaffen hat. Goltzius’ Mitarbeiter Jacob Matham, Jacques de Gheyn II., Jan Saenredam und Jan Harmensz. Muller verfertigten exzellente Arbeiten im Stil ihres Meisters. Selbst der junge Rubens liess sich regelmässig von Goltzius Kompositionen inspirieren, besuchte den Künstler und soll sogar eine Mappe mit seinen Antikenzeichnungen besessen haben. Goltzius repräsentiert mit seinen von höchster technischer Virtuosität geprägten Kupferstichen den Höhepunkt der Druckgraphik im Manierismus. Im 19. Jahrhundert wurde diese Kunstrichtung grundlegend missverstanden und verunglimpft. Erst Mitte des 20. Jahrhunderts wurde vor allem dank des Historikers Emil Reznicek diese herabsetzende Einschätzung revidiert und Goltzius als einer der brillantesten Graphiker, Zeichner und Maler seiner Zeit rehabilitiert. Goltzius übersetzte Vorlagen und Gemälde anderer Künstler (darunter beispielsweise von Bartholomäus Spranger) in den Kupferstich, schuf aber vor allem eigene, geniale Bildfindungen, von denen auch seine Mitarbeiter profitierten. Legendär ist seine Technik der an- und abschwellenden Linien, die zu einer besonderen Plastizität und Körperlichkeit seiner Graphiken führten.
Wegen seines schlechten Gesundheitszustandes, heute würde man wohl von einem Burnout ausgehen, begab sich Goltzius 1590/91 nach Italien, wo er vermutlich 66 Zeichnungen von antiken Skulpturen anfertigte (43 sind erhalten geblieben). Offenkundig plante er eine ganze Folge solcher antiker Abbildungen, allerdings wurden nur drei verwirklicht: der «Herkules Farnese», der «Commodus Imperator» und «Apollo von Belvedere», wobei der «Herkules Farnese» gemäss Jan Piet Filedt Kok als einziger der drei Kupferstiche vollumfänglich vom Meister gestochen wurde. Goltzius reiste teilweise inkognito unter dem Namen Hendrick van Bracht, um möglichst ungestört arbeiten sowie in Erfahrung bringen zu können, was andere von ihm und seinen Werken hielten. Gerade in Rom wurden seine Graphiken an vielen Orten verkauft. Eine seiner spektakulärsten Arbeiten ist zweifelsohne der «Herkules Farnese» aus dem Jahr 1592, der wahrscheinlich aufgrund seines Italien-Aufenthalts in der Gestaltung weniger üppig und viel klassischer ausfiel als frühere Werke; der muskulöse Körper ist durch die Schraffur an- und abschwellender Linien kunstvoll modelliert. Goltzius fand die berühmte Marmorstatue, eine Kopie aus dem 3. Jahrhundert nach dem Original des griechischen Bildhauers Lysipp, im Innenhof des Palazzo Farnese in Rom vor (sie befindet sich heute im Nationalmuseum Neapel). Insgesamt fertigte er davon drei verschiedene Zeichnungen an, wobei er jene der ungewohnten, aber umso eindrücklicheren Rückansicht für den Kupferstich verwendete. In der Hand hinter seinem Rücken hält der Farnesische Herkules die drei Äpfel der Hesperiden, die den Göttern ewiges Leben schenken. Keulenkopf, Löwenfell und Körper wirken besonders plastisch; die beiden aufblickenden Zuschauer, möglicherweise Jan Matthijsz. Ban und Philips van Winghe, betonen die monumentale Erscheinung der mächtigen Figur.
Ariane Mensger, Kunstmuseum Basel «Bestechend gestochen – Das Unternehmen Hendrick Goltzius», Hirmer Verlag 2016
Huigen Leeflang und Ger Luijten: Hendrick Goltzius «Drawings, Prints and Paintings», Metropolitan Museum of Art New York, Rijksmuseum Amsterdam und Toledo Museum of Art, Waanders Publishers 2003
Hamburger Kunsthalle «Die Masken der Schönheit, Hendrick Goltzius und das Kunstideal um 1600» 2002
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