Heutzutage ist Hendrick Goltzius den meisten kein Begriff mehr. Tatsächlich war er aber um 1600 einer der berühmtesten und gefeiertsten Künstler Europas, der mit seinen Kupferstichen Furore machte und einen eigenen Verlag mit Angestellten betrieb. Einer seiner Mitarbeiter war der bekannte Kupferstecher Jan Harmensz. Muller, der sich eng an Goltzius’ Stil anlehnte. Auch der junge Rubens liess sich regelmässig von Goltzius Kompositionen inspirieren und besuchte ihn. Goltzius repräsentiert mit seinen von höchster technischer Virtuosität geprägten Kupferstichen den Höhepunkt der Druckgraphik im Manierismus. Er übersetzte Vorlagen anderer Künstler (darunter beispielsweise Bartholomäus Spranger) in den Kupferstich, schuf aber auch eigene, geniale Bildfindungen. Legendär ist seine Technik der an- und abschwellenden Linien, die zu einer besonderen Plastizität und Körperlichkeit seiner Darstellungen führten. Wegen seines schlechten Gesundheitszustandes, heute würde man wohl von einem Burnout ausgehen, begab sich Goltzius 1590/91 nach Italien, wo er vermutlich 66 Zeichnungen von antiken Skulpturen anfertigte (43 sind erhalten geblieben). Offenkundig plante er eine ganze Folge solcher antiker Abbildungen, allerdings wurden nur drei verwirklicht: der «Herkules Farnese», der «Commodus Imperator» und «Apollo von Belvedere». Goltzius reiste inkognito unter dem Namen Hendrick van Bracht, um möglichst ungestört arbeiten sowie in Erfahrung bringen zu können, was andere von ihm und seinen Werken hielten. Eine seiner spektakulärsten Arbeiten ist zweifelsohne der «Herkules Farnese» aus dem Jahr 1592, der wahrscheinlich aufgrund seines Italien-Aufenthalts in der Gestaltung weniger üppig und viel klassischer ausfiel als frühere Werke; der muskulöse Körper ist durch die Schraffur an- und abschwellender Linien kunstvoll modelliert. Goltzius fand die berühmte Statue, eine Kopie nach dem Original des griechischen Bildhauers Lysipp aus dem 3. Jahrhundert, im Innenhof des Palazzo Farnese in Rom vor. Insgesamt fertigte er davon drei verschiedene Zeichnungen an, wobei er jene der ungewohnten, aber umso eindrücklicheren Rückansicht für den Kupferstich verwendete. In der Hand hinter seinem Rücken hält der Farnesische Herkules die drei Äpfel der Hesperiden, die den Göttern ewiges Leben schenken. Keulenkopf, Löwenfell und Körper wirken besonders plastisch; die beiden aufblickenden Zuschauer, möglicherweise Jan Matthijsz. Ban und Philips van Winghe, betonen die monumentale Erscheinung der mächtigen Figur.