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Kunstkarten
Albrecht Dürer "Das grosse Glück" oder "Die Nemesis" 1501
Kupferstich, Meder 72 2a (von f), Schoch Mende Scherbaum 33, Wz. Hohe Krone Meder 20 ehemals Fogg Art Museum (Collection F.C. Gray), Harvard University (Lugt 4836)
Albrecht Dürer ist einer der grössten Maler und Druckgraphik-Künstler der Renaissance. Heute ist er vor allem durch seine überragenden Gemälde bekannt, obschon er – was viele nicht wissen – seinen Ruhm ursprünglich durch die Druckgraphik erlangte. So berichten Schoch Mende Scherbaum in ihrem Standardwerk: «[…] Im Todesjahr Albrecht Dürers, 1528, veröffentlichte Erasmus von Rotterdam eine berühmte Eloge auf den Künstler. […] Ganz selbstverständlich wird der Künstler darin nach seiner Druckgraphik bewertet, die den Zeitgenossen – mehr als seine Malerei – bekannt war und seinen europäischen Künstlerruhm begründete.» In zahlreichen Briefen beschwerte Dürer sich auch immer wieder über die unzureichende Bezahlung seiner Gemälde. Im Briefwechsel mit Jacob Heller beklagte er sich beispielsweise, dass ihn die schlecht honorierte Arbeit am Altarbild für die Frankfurter Dominikanerkirche ruinieren würde und er ein reicher Mann wäre, hätte er dieselbe Zeit fürs Kupferstechen aufgewendet.
Wie zahlreiche andere bekannte Kupferstecher, stammte auch Dürer aus einer Goldschmiedefamilie, wo er die Technik zur Bearbeitung von Metall erlernte. Im Vergleich zum Holzschnitt war der Kupferstich sehr viel arbeitsintensiver und teurer und erbrachte weniger Abzüge, dafür war er wesentlich filigraner und hochstehender. Allerdings kostete er bei gleichem Format auch meist doppelt so viel. Oft sollen Dürers Skizzen für einen Kupferstich ähnlich detailliert gewesen sein wie für ein Gemälde. Anders als bei den Holzschnitten, bei denen ein spezialisierter Handwerker Dürers Reinzeichnung auf den Holzstock übertrug, stach er die Kupferplatten eigenhändig. Dass in Dürer auch ein unübertrefflicher Maler steckte, demonstrierte er wohl erstmals mit dem «Rosenkranzfest», einem grossformatigen Altarbild, das er 1506 im Auftrag der deutschen Kaufleute in Venedig für deren Kirche San Bartolomeo angefertigt hatte und das dann 1606 von Kaiser Rudolf II. für eine enorme Summe erworben wurde. Die Wirkung des Bildes war derart spektakulär, dass der Patriarch der Stadt, der Doge Leonardo Loredan, ihm sogar anbot, sich im Dienste Venedigs für ein jährliches Gehalt von 200 Gulden der Malerei zu widmen.
Dürers Erfolg scheint eine Mischung aus einzigartigem Talent und glücklichen Fügungen gewesen zu sein. Nürnberg, wo er aufwuchs, bot ein ideales Umfeld für Künstler. Die Stadt war zu dieser Zeit eine der wichtigsten des Reiches und wirtschaftlich sehr prosperierend. Das Haus der Familie befand sich in unmittelbarer Nachbarschft zu bedeutenden Unternehmern und Geistesgrössen. Sein Taufpate Anton Koberger, der zu den wichtigsten Verlegern gehörte und Betreiber einer der grössten Druckereien des Reiches war, wohnte im selben Quartier. Ebenfalls in der Nähe war die vielleicht damals angesehenste Werkstatt Nürnbergs, jene des Malers und Holzschnittmeisters Michael Wolgemut, zu dem Dürer drei Jahre in die Lehre ging. Die seinerzeit noch sehr junge Technik der Druckgraphik und des Buchdrucks weckte Dürers grosses Interesse. Nach seinen Wanderjahren kehrte er 1495 nach Nürnberg zurück und heiratete die Tochter einer angesehenen Patrizierfamilie. In der Absicht, sich vorrangig der Druckgraphik zu widmen, begann er mit dem Aufbau seiner eigenen Werkstatt. Die Veröffentlichung seines auf eigenes Risiko herausgebrachten Buches «Die Offenbarung des Johannes» im Jahr 1498, bekannter unter dem Namen «Apokalypse», war ein Riesenerfolg und machte ihn in ganz Europa berühmt. Darin präsentierte er Holzschnitte von einer bisher unerreichten Qualität. Seine Kupferstiche übertrafen diese noch deutlich und waren grandios (z.B. «Adam und Eva»); sie deckten sowohl kirchliche wie auch geschickt gewählte profane Themen ab (z.B. «Die vier Hexen»). Dürer war zudem der erste, der in Europa realistische Landschaftsbilder malte. Bereits 1497 beschäftigte er zwei Verkäufer, die seine Graphiken auf dem ganzen Kontinent vertrieben. Zu Berühmtheit gelangte auch sein bester Mitarbeiter, Hans Baldung Grien, der während Dürers Reisen die Werkstatt leitete.
Dürers berühmter Kupferstich «Nemesis» wird in seinen Abmessungen nur noch vom «Eustachius» übertroffen. Es ist eines seiner Hauptblätter und ein frühes Beispiel für sein Studium der menschlichen Proportionen, das im Kupferstich mit «Adam und Eva» einen vorläufigen Höhepunkt erreichte. Das zentrale Motiv bildet die nackt, kräftig gebaut und geflügelt dargestellte Göttin Nemesis, die sich mit ihrer imposanten Postur deutlich vom weissen Hintergrund abhebt. In ihren Händen hält sie einen Birnpokal sowie Zügel und Zaumzeug, die sowohl Lohn und Verlockung als auch Strafe und Abschreckung symbolisieren. Sie schwebt auf einer Kugel (einer Metapher für das wechselhafte Glück) hoch über einer Alpenlandschaft, von der wir wissen, dass es sich dabei um eine Ansicht von Klausen im Eisacktal handelt: Dürer fertigte auf seiner Rückreise von Italien eine Landschaftszeichnung davon an. Der Kunsthistoriker Erwin Panofsky legte dar, dass die Vorlage für diese Arbeit ein 1482 verfasstes Gedicht von Angelo Poliziano war, in dem diese Göttin charakterisiert wird (Schoch Mende Scherbaum S. 97). Auch könnte die auf römischen Münzen abgebildete geflügelte «Victoria Augusta» Dürer beeinflusst haben. Seine Zeitgenossen sahen in der Darstellung überwiegend die «Fortuna». Panofsky hebt die Zusammenführung einzelner naturalistischer Details hervor, die das Ganze unwirklich und phantastisch erscheinen lassen.