Einer der Hauptvertreter des französischen Symbolismus ist der Künstler Odilon Redon (1840 – 1916). Der zurückgezogen lebende, nach aussen konventionell und unauffällig auftretende Künstler schuf einige der verstörendsten, rätselhaftesten Kunstwerke (seltsame Monster, Spinnen, abgetrennte Köpfe), die in vielem den surrealistischen Stil vorwegnahmen. Erst im Alter von etwa sechzig Jahren wurde seine Kunst allmählich anerkannt. Besondere Wertschätzung erfuhr sein Werk von den Künstlergruppen der Nabis und der Fauves (speziell von Henri Matisse).
Der in Bordeaux geborene Redon wuchs in der Nähe des elterlichen Château Peyre-Lebade im Médoc auf. Sein Vater Betrand Redon, der in Louisiana mit dem Sklavenhandel ein Vermögen machte, erwarb nach seiner Rückkehr nach Frankreich dieses Weingut. Weshalb Odilon Redon von solch bedrohlichen Visionen heimgesucht wurde, ist nicht bekannt. Möglicherweise erlitt er ein Trauma, als er im Kleinkindalter in die Obhut eines Onkels gegeben wurde, bei dem er (vermutlich aufgrund einer Epilepsi-Erkrankung) fern von den Eltern in den ersten Jahren aufwuchs. Bereits als Kind zeichnete er leidenschaftlich, doch erst nachdem er erfolglos versucht hatte, zum Architekturstudium zugelassen zu werden, erlaubte ihm sein Vater, sich er der Malerei zu widmen.
Der Druckgraphiker Rodolphe Bresdin (vgl. seine Kunstkarte «Le bon Samaritain») machte ihn mit der Radierkunst bekannt und übte grossen Einfluss auf den jungen Künstler aus. Angeleitet von seinem Freund Henri Fantin-Latour beschäftigte sich Redon seit 1878 mit der Lithographie und schuf seine berühmten, ausschliesslich in der Farbe Schwarz gehaltenen «Noirs», die sich mit dem menschlichen Unbewussten und seinen Ängsten auseinandersetzten. In seiner zweiten Schaffensphase vollzog er eine völlige Kehrtwende und begann, Bilder von bunter Farbigkeit zu malen. Durch seine Erwähnung in Joris-Karl Huysmans Kultnovelle «À rebours» von 1884 und das von André Mellerio 1913 herausgegebene Verzeichnis seiner Werke, gewann er zusehends an Bekanntheit.
Redons «Béatrice» wurde von Dantes Beatrice aus der «Göttlichen Komödie» inspiriert, die den Protagonisten u.a. in die himmlischen Sphären führt. 1897 erschien das Blatt in einer Auflage von 100 Exemplaren im zweiten Album des legendären Kunsthändlers Ambroise Vollard, nachdem dieser Redon gebeten hatte, eine Farblithographie beizusteuern. Galerie Kornfeld: «Sie gilt als eines der feinsten Beispiele der symbolistischen Druckgraphik.» Redons «Béatrice» ist seine einzige Lithographie in mehreren Farben und steht in ihrer zarten, fast ätherischen und freundlichen Erscheinung im starken Gegensatz zu seinen «Noirs», beispielsweise seinem imposanten «Pégase captif».
Die Lithographie stammt aus der Sammlung von Henri Marie Petiet, einem bedeutenden Kunsthändler des 20. Jahrhunderts, der neben Kunst auch Oldtimer und alte Bücher sammelte. Petiet, Spross einer bekannten Familie von Würdenträgern, erwarb 1941 sämtliche Druckgraphiken aus Ambroise Vollards Nachlass, darunter auch die 100 Radierungen umfassende «Suite Vollard» von Picasso. 1977 kaufte er zudem die 17 dekorativen Gemälde, die Redon für seinen Gönner Baron Robert de Domecy für den Speisesaal in dessen Château geschaffen hatte.
Ambroise Vollard hielt in seinen Erinnerungen eine amüsante Geschichte über Redon fest: «[…] Redon schien mit seinen Sammlern einen Kontrakt geschlossen zu haben, demzufolge er sich als ihren Schuldner betrachtete. […] – Ich reserviere immer etwa zehn Exemplare meiner Arbeiten für meine Sammler, und ich achte sehr darauf, dass ihre Sammlungen vollständig sind. – Nichts lieber als das! Soll ich die Blätter für Sie verkaufen? Ich garantiere, es würde Ihnen das Doppelte einbringen. – Nein, danke, meine Sammler würden ausser sich sein, wenn ich ihnen meine Arbeiten nicht selber verkaufte, und wenn sich die Preise verändert hätten. – Auf Grund dieser Treuherzigkeit blieben die Werke Redons lange Zeit so niedrig im Preis. […]»