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Kunstkarten
Albrecht Dürer «Adam und Eva» 1504
Kupferstich, Meder 2 (vor dem Rindenspalt), Schoch Mende Scherbaum 39 ehemals Slg. August Laube, Kurt Schweidler, Christoph von Albertini
Albrecht Dürer ist einer der grössten Maler und Druckgraphik-Künstler der Renaissance. Heute ist er vor allem durch seine überragenden Gemälde bekannt, obschon er – was viele nicht wissen – seinen Ruhm ursprünglich durch die Druckgraphik erlangte. So berichten Schoch Mende Scherbaum in ihrem Standardwerk: «[…] Im Todesjahr Albrecht Dürers, 1528, veröffentlichte Erasmus von Rotterdam eine berühmte Eloge auf den Künstler. […] Ganz selbstverständlich wird der Künstler darin nach seiner Druckgraphik bewertet, die den Zeitgenossen – mehr als seine Malerei – bekannt war und seinen europäischen Künstlerruhm begründete.» In zahlreichen Briefen beschwerte Dürer sich auch immer wieder über die unzureichende Bezahlung seiner Gemälde. Im Briefwechsel mit Jacob Heller beklagte er sich beispielsweise, dass ihn die schlecht honorierte Arbeit am Altarbild für die Frankfurter Dominikanerkirche ruinieren würde und er ein reicher Mann wäre, hätte er dieselbe Zeit fürs Kupferstechen aufgewendet.
Wie zahlreiche andere bekannte Kupferstecher, stammte auch Dürer aus einer Goldschmiedefamilie, wo er die Technik zur Bearbeitung von Metall erlernte. Im Vergleich zum Holzschnitt war der Kupferstich sehr viel arbeitsintensiver und teurer und erbrachte weniger Abzüge, dafür war er wesentlich filigraner und hochstehender. Allerdings kostete er bei gleichem Format auch meist doppelt so viel. Oft sollen Dürers Skizzen für einen Kupferstich ähnlich detailliert gewesen sein wie für ein Gemälde. Anders als bei den Holzschnitten, bei denen ein spezialisierter Handwerker Dürers Reinzeichnung auf den Holzstock übertrug, stach er die Kupferplatten eigenhändig. Dass in Dürer auch ein unübertrefflicher Maler steckte, demonstrierte er wohl erstmals mit dem «Rosenkranzfest», einem grossformatigen Altarbild, das er 1506 im Auftrag der deutschen Kaufleute in Venedig für deren Kirche San Bartolomeo angefertigt hatte und das dann 1606 von Kaiser Rudolf II. für eine enorme Summe erworben wurde. Die Wirkung des Bildes war derart spektakulär, dass der Patriarch der Stadt, der Doge Leonardo Loredan, ihm sogar anbot, sich im Dienste Venedigs für ein jährliches Gehalt von 200 Gulden der Malerei zu widmen.
Dürers Erfolg scheint eine Mischung aus einzigartigem Talent und glücklichen Fügungen gewesen zu sein. Nürnberg, wo er aufwuchs, bot ein ideales Umfeld für Künstler. Die Stadt war zu dieser Zeit eine der wichtigsten des Reiches und wirtschaftlich sehr prosperierend. Das Haus der Familie befand sich in unmittelbarer Nachbarschft zu bedeutenden Unternehmern und Geistesgrössen. Sein Taufpate Anton Koberger, der zu den wichtigsten Verlegern gehörte und Betreiber einer der grössten Druckereien des Reiches war, wohnte im selben Quartier. Ebenfalls in der Nähe war die vielleicht damals angesehenste Werkstatt Nürnbergs, jene des Malers und Holzschnittmeisters Michael Wolgemut, zu dem Dürer drei Jahre in die Lehre ging. Die seinerzeit noch sehr junge Technik der Druckgraphik und des Buchdrucks weckte Dürers grosses Interesse. Nach seinen Wanderjahren kehrte er 1495 nach Nürnberg zurück und heiratete die Tochter einer angesehenen Patrizierfamilie. In der Absicht, sich vorrangig der Druckgraphik zu widmen, begann er mit dem Aufbau seiner eigenen Werkstatt. Die Veröffentlichung seines auf eigenes Risiko herausgebrachten Buches «Die Offenbarung des Johannes» im Jahr 1498, bekannter unter dem Namen «Apokalypse», war ein Riesenerfolg und machte ihn in ganz Europa berühmt. Darin präsentierte er Holzschnitte von einer bisher unerreichten Qualität. Seine Kupferstiche übertrafen diese noch deutlich und waren grandios (z.B. «Adam und Eva»); sie deckten sowohl kirchliche wie auch geschickt gewählte profane Themen ab (z.B. «Die vier Hexen»). Dürer war zudem der erste, der in Europa realistische Landschaftsbilder malte. Bereits 1497 beschäftigte er zwei Verkäufer, die seine Graphiken auf dem ganzen Kontinent vertrieben. Zu Berühmtheit gelangte auch sein bester Mitarbeiter, Hans Baldung Grien, der während Dürers Reisen die Werkstatt leitete.
Das herausragende Blatt «Adam und Eva» zeigt die Protagonisten beim Sündenfall im Garten Eden, mit dem Baum der Erkenntnis in ihrer Mitte. Die beiden mit feinsten Stichen kühl und klassisch modellierten Figuren heben sich reliefartig vor dem dunklen Hintergrund ab. Zeit seines Lebens beschäftigte sich Dürer mit den Proportionen der menschlichen Gestalt, wobei diese Arbeit quasi die Krönung seiner bisherigen Studien darstellte. Im Gegensatz zu Rembrandt, der das Paar in seiner «Adam und Eva»-Radierung von 1638 im Wettstreit mit Dürer gewollt ungeschönt und derb zeichnete, verkörpert Dürers Werk gewissermassen das Ideal von Mann und Frau, vermutlich nach dem Vorbild der antiken Statuen des «Apollo von Belvedere» und der «Venus Medici». Neben der Schlange, die Eva die verbotene Frucht reicht, sind weitere sieben Tiere abgebildet: ein sich abwendender Papagei, als Symbol der Klugheit; im Vordergrund eine Maus; rechts oben eine Gämse sowie als Versinnbildlichung der vier Temperamente ein Elch (Melancholiker), ein Ochs (Phlegmatiker), ein Hase (Sanguiniker) und eine Katze (Choleriker). Während Dürer das menschliche Idealbild im Kupferstich mit nahezu akademischer Steife darstellt, sind die Figuren in seinem lebensgrossen Ölgemälde von 1507 voller Vitalität und Lebendigkeit.
Bereits zu Beginn zählte «Adam und Eva» zu den gesuchtesten Graphiken Dürers. Er verwendete ausserordentlich viel Zeit für die Vorzeichnungen, die extrem aufwendige Gravurarbeit und die verschiedenen Probedrucke. Die Figuren sind mit äusserst feinen Stichellinien ausgeführt, einer Technik, die eine subtile, differenzierte Wiedergabe erlaubte, allerdings mit dem Nachteil, dass nur eine geringe Anzahl von Abzügen in brillanter Qualität möglich war. Das vorliegende Blatt ist ein früher Meder-2-Druck vor dem Rindenspalt und illustriert eindrücklich die Pracht dieses Werks.