Der neue Stern im Priorat - Artikel im Falstaff vom April/Mai 2020

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Der erste Schweizer Master of Wine, Philipp Schwander, ist nun auch Winzer. Bei seinem Projekt in der spanischen Prestigeregion Priorat setzt er auf nichts anderes als höchste Qualität.

Das Resultat lässt sich sehen:

SOBRE TODO 2016, Viñedos Schwander, Priorat, 98 Punkte
Schon in der Nase offenbart sich hier die grosse Klasse dieses Weins. Konzentrierte, dunkle Frucht­ aromen, Waldbeeren, Pflaume, Sauerkirsche und feine Holznoten. Niemals überbordend, sondern angenehm lockend. Saftiger Auftakt, präzise Frucht und geschmeidige Statur am Gaumen. Fein geschliffenes Tannin und langer Abgang auf Kirsche.

SOBRE TODO 2015, Viñedos Schwander, Priorat, 96 Punkte
In der Nase zeigen sich Aromen von hellen und dunk­ len Beeren. Vor allem Himbeerkompott oder die Heisse Liebe, wie wir sie kennen. Dazu kräutrig­ würzige sowie florale Anklänge. Am Gaumen von erstaunlich eleganter Statur, feines, leicht spürbares Tannin. Schöne Säure und langer Abgang auf roter Beeren­ frucht und Pflaume. Noch jugendlich.

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TEXT: DOMINIK VOMBACH, NOTIZEN: DOMINIK VOMBACH UND BENJAMIN HERZOG

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Blickt man auf die Karriere von Philipp Schwander zurück, lässt sich diese mit einem einzigen Wort beschreiben, nämlich einzigartig. Seit über 25 Jahren ist Schwander bereits im Weinhandel tätig, war unter anderem über zehn Jahre für den Weineinkauf bei der St. Galler Weinhandlung Martel verantwortlich und leitete vier Jahre lang die Zürcher Weinhandlung Albert Reichmuth. Im Jahr 1996 dann die Krönung mit der höchsten Auszeichnung in der Weinwelt, dem Titel des Masters of Wine – als erster Schweizer überhaupt. Danach folgte der Weg in die Selbstständigkeit mit dem nach ihm benannten Weinhandel Selection Schwander – natürlich äusserst erfolgreich.

Wer sich jetzt fragt, was da noch kommen sollte, ist gut bedient, wenn er an die Basis dessen denkt, auf dem Schwanders Leben aufbaut, und zwar an den Wein an sich. Und der wird nirgendwo sonst als im Rebberg gemacht. Genau um einen solchen Weinberg ging es, als Philipp Schwander vor etwa fünf Jahren den Winzer Raimon Castellví aus dem spanischen Priorat traf. Ein Winzer, mit dem Schwander schon einige Jahre lang gute Beziehungen pflegte und dessen Weine er über seinen Weinhandel in die Schweiz brachte. «Raimon kam damals zu Besuch und erzählte mir von einem Rebberg in Porrera, den ein Freund verkaufen wolle. Einer der besten, wenn nicht gar der beste überhaupt in dem kleinen Dorf. Hoch gelegen und perfekt, um grosse Prioratweine zu produzieren, mit rund 115 Jahre alten Rebstöcken», erzählt Schwander. Castellví hatte jedoch zu wenig Kapital, um die Investition alleine zu stemmen, Schwander sollte helfen – und das tat er. «Ich reiste ins Priorat, schaute mir die zwei Hektaren an und war begeistert. Für mich ging es auch darum, einen Schritt weiter zu gehen und mit einem eigenen Weingut noch mehr dazuzulernen», berichtet der Master of Wine. Um den Rebberg buhlten – nebenbei bemerkt – auch einige namhafte Winzer aus der Region, ausserdem der spanische Weinmogul Torres. Den Zuschlag bekam jedoch Philipp Schwander, woraufhin dieser kurzum das Weingut Viñedos Schwander gründete. Höchste Qualität war von Beginn an die einzige Maxime, berichtet er, schliesslich sei das Ganze für ihn ein Liebhaberprojekt und nicht auf blosse Wirtschaftlichkeit ausgerichtet. Aus diesem Grund begann er auch früh, gemeinsam mit Castellví an den wichtigen Stellschrauben zu drehen. Die vornehmlich mit Garnacha und etwas Carignena bepflanzte Fläche wird nach ökologischen Prinzipien bewirtschaftet. «Dank des heissen Klimas können wir beim Pflanzenschutz sogar auf den Einsatz von Kupfer verzichten. Das Ganze ist also biologischer als biologisch, wenn man so möchte», erzählt Schwander.

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DIE GOLDENE MITTE

Im Priorat dominieren derzeit zwei unterschiedliche Wein-Philosophien. Zum einen wären da jene Winzer, die versuchen, in der heissen Region einen fast burgundischen, eleganten Stil zu fahren. Für Schwander ist dieser Weinstil leider viel zu oft mit einer allzu frühen Lese der Trauben verbunden, weshalb die Weine seiner Meinung nach zu dünn wirken. Auf der anderen Seite stehen die nach Kraft suchenden Prioratwinzer, die vor allem auf eine intensive Extraktion der Trauben setzen. Beides nicht der Weg des Masters of Wine. «Wer meint, er könne in einem heissen Klima wie dem des Priorat Burgunder erzeugen, liegt meiner Ansicht nach falsch. Aus einem Holzhacker wird schliesslich nicht auch einfach so ein Balletttänzer», sagt der Weinhändler lachend. Schwanders Weg ist der Mittelweg, und damit dieser gelingt, holte er sich die Unter- stützung zweier der angesehensten Önolo- gen der Region: Professor Fernando Zamora von der Universität Rovira i Virgili in Tarragona, der unter anderem Technischer Direktor der Internationalen Organisation für Rebe und Wein (OIV) ist, und Marta Conde. Beide Koryphäen, wenn es um das Priorat geht. Schwander lässt den Spezialisten in weiten Teilen freie Hand – nur bei der Zusammenstellung der endgültigen Cuvées setzt er dann lieber auf seinen eigenen geschulten Gaumen. Die Parzelle wird bei der Ernte in drei Teile unterteilt, die ein- zeln gelesen und separat ausgebaut werden. Aus diesen drei Teilen setzt sich dann der endgültige Blend zusammen, und auch hierbei geht Schwander keine Kom- promisse ein. «Die Prämisse ist klar. Wenn es nicht gut genug ist, kommt der Jahrgang nicht auf den Markt», erzählt er. Der erste Jahrgang des Sobre Todo, wie der Wein sich nennt, 2015, brachte es auf lediglich 700 Flaschen.

Geschmacklich erinnert der Wein an einen eleganten Châteauneuf, wie die Falstaff-Redaktion bei der exklusiven Degustation der neuen Schwander-Weine feststellen durfte. Mit 2016, einem Jahrhundertjahrgang im Priorat, wartet auf die Weingeniesser ein Tropfen, der jetzt schon zur Elite des Priorat gehört. Ein Wein, der wie die Karriere von Philipp Schwander einzigartig ist. Auf den Markt soll er Ende des Jahres kommen. Mit einem Etikett, das von der Luzernerin Manuela Pfrunder ent- worfen wurde, der Designerin, die für die Neugestaltung der Schweizer Banknoten verantwortlich zeichnet. Genau diese gefielen Schwander so gut, dass er das Etikett für den Sobre Todo unbedingt von derselben Künstlerin entwickeln lassen wollte.

Ein Freund kannte Pfrunder, und wie der Zufall so spielt, war sie sogar Kundin.

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Winzer Raimon Castellví machte Philipp Schwander auf den einzigartigen Rebberg nahe dem Dorf Porrera im Priorat aufmerksam.

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Höchste Qualität als einzige Maxime: Raimon Castellví und Philipp Schwander versuchen ohne Kompromisse, den bestmöglichen Priorat zu erzeugen.

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Önologin Marta Conde und Professor Fernando Zamora waren Geburtshelfer der berühmtesten Priorats und sind Berater für den Sobre Todo.

Das Etikett stammt von der Designerin der Schweizer Banknoten, Manuela Pfrunder.